Full text: Vorschule der Geschichte

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an den Strand zu tragen und dort mit eigner Hand zu waschen. 
Auch durch diese Schmach ließ sich Gudrun nicht erweichen. Sie 
derrichtete ihre Arbeit, so daß ihr kein Vorwurf gemacht werden 
konnte. Ihr einziger Trost dabei war, daß die treue Hildburg sich 
erboten hatte, ihr dabei zu helfen. So konnten die beiden heimat¬ 
losen Frauen doch wenigstens trauliche Zwiesprache Pflegen und sich 
dadurch die lange Zeit verkürzen. 
Der Hlachezug. Niemals aber hatte Hilda aufgehört, über 
Mittel nachzusinnen, wie sie ihre Tochter aus den Händen der 
Normannen befreien könnte. Sie hatte starke Schiffe bauen lassen, 
und als die junge Mannschaft nun herangewachsen war, sandte sie 
Zu ihren Helden, um dieselben zum Befreiungskriege auffordern zu 
lassen. Sie waren alle gern dazu bereit. Da kamen Herwig, Gudruns 
Verlobter, Horand, Morung, der reiche Markgraf, Jrolt, der kühne 
Frute aus Dänemark und der alte Wate, der Held aus Sturm¬ 
land mit ihren tapfersten Helden. Auch der junge Ortwein zog mit, 
Urn das Leid der Schwester zu enden. Als alle Vorbereitungen ge¬ 
soffen waren, stach die wohlbemannte Flotte in See zur Heerfahrt 
Uach dem Normannenlande. Unterwegs rasteten die Heere auf dem 
^Üülpensande, wo die jungen Helden durch den Anblick der Gräber 
lfyter Väter von neuem zur 9tache angefeuert wurden. Weiter 
Igelnd kamen sie an den Magnetberg, der die Schiffe vier Tage 
festhielt, bis sie endlich durch einen frischen Westwind befreit wurden. 
Horand war in den Mastkorb gestiegen und verkündete, daß man 
^8 Land der Normannen erblicken könnte. Ehe sie aber dasselbe 
^reichten, ruhten sie auf einem Eilande aus und erquickten sich im 
^alde an den kühlen Quellen. Jrolt stieg auf einen Baum und 
^schaute vor sich sieben Burgen im Normannenlande. Die Helden 
Ehrten nun ihre Rosse aus den Schiffen, damit sie sich von dem 
/lNgen Stehen, das die Glieder der Tiere steif macht, wieder erholen 
onnten; auch setzten sie ihre Waffen in Bereitschaft. Dann be¬ 
schlossen sie, heimliche Boten vorauszusenden, welche sich nach dem 
^ande und dem Schicksale Gudruns erkundigen sollten. Herwig und 
rttoein erboten sich, diese Kundschaft einzuziehen. 
Per Weissagende ‘gtoflct. Es war an einem Mittwoch in der 
Fastenzeit, als Gudrun und Hildburg wieder am Strande wuschen. 
a kam ein Vogel herbeigeschwommen, zu dem sprach Gudrun: „Es 
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