II. Die geschichtliche Entwicklung des Gebietes
der Provinz Hessen-Nassau.
Schon Jahrtausende, ehe wir durch die Geschichte von Bewohnern
unserer Gegend Kunde erhalten, ist sie der Wohnsitz von Menschen gewesen,
wie uns die Funde beweisen, die man in der Erde gemacht hat. Ungeglättete
steinerne Werkzeuge aller Art, Hämmer, Schaber, Sägen u. a., die man mancher¬
orts, so in der Wildscheuer bei Steeden an der Lahn und in der Höhle im
Gelstertale, nahe bei Witzenhausen, entdeckt hat, werden als Überbleibsel aus
der älteren Steinzeit (Paläolithische Periode) angesprochen. Aus
der jüngeren Steinzeit (Neolithische Periode, etwa bis 1500 v. Chr.)
besitzen wir viele Reste in allen Teilen unserer Landschaft, schön geschliffene
und polierte Werkzeuge und Waffen, die in der Wetterau, auch in der Um-
gegend von Frankfurt, ferner im Mainzer, Limburger und Neuwieder Becken
überaus zahlreich aufgefunden worden sind. Der Jagd, dem Fischfang, der
Viehzucht, aber auch dem Ackerbau war die damalige Bevölkerung ergeben-
von letzterer Tätigkeit zeugen die vielen Handmühlensteine, die man in Stein-
zeitsiedlungen aus der Erde ausgraben konnte. Die Töpferkunst (Abb. 2)
war den Steinzeitmenschen schon bekannt, wenn sie auch die Gefäße noch ohne
Drehscheibe formten. Daß sie schon Gefallen am Schönen und Sinn für
Zierat besessen haben, dafür sprechen die vielen aufgefundenen Ketten aus
Tonperlen oder Steinchen (Abb. 3): die kunstgerecht punktverzierten Main-
Kiesel weisen ganz enge Löcher auf, durch die jedenfalls einstmals ein
Pferdehaar gezogen worden
ist. Dieser Zeit entstammen
auch Pfahlbauten im Moor
bei Fulda. Da manche der
ausgegrabenen Werkzeuge aus
Gesteinsarten angefertigt sind,
die in unserer Gegend nicht
vorkommen, werden sie zum
Teil durch den Handel ver-
mittel! worden sein; auch die
jener Zeit angehörigen Bernstein-
perlen, die bei Grabungen zu-
tage kamen, müssen durch
Händler gebracht worden sein.
Als Tauschmittel wird den Be-
wohnern wohl vor allem das
Salz gedient haben, da unsere
Landschaft mit diesem für die
Menschen unentbehrlichen Mi-
neral von der Natur reich aus-
gestattet ist.
2. Urne aus der jüngeren Steinzeit.
Etwa 1/3 der natürlichen Größe.
jFundort: Frankfurt a. M., Osthafen.]