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Gefühl, daß er ein Sünder sei und daß er auf diese Weise der
Sünden nicht ledig werde, beängstigte ihn so, daß er krank und elend
wurde. Da kam ihm durch die tröstende Zusprache eines Vorgesetzten,
des Ordensvorstehers Staupitz, eine andere Überzeugung, nämlich
die, daß der Mensch überhaupt nicht durch die Werke selig werde,
sondern allein durch den Glauben an die göttliche Gnade, erworben
durch das Verdienst Christi, welche den reuigen Sünder wieder auf¬
nehme. Dieser Glaube gab ihm ein neues Leben und eine große
Freudigkeit. Er hatte sich hinter den Klostermauern eine solche Ge¬
lehrsamkeit erworben, daß ihn der Kurfürst Friedrich der Weise von
Sachsen als Professor an die Universität Wittenberg berief. Dort
lehrte er und predigte zugleich in der Schloßkirche. Vergeblich suchte
er seine Gemeinde davon abzuhalten, die Ablaßbriefe Tetzels zu kaufen.
Da schlug er am 31. Oktober 1517 an die Schloßkirche zu
Wittenberg 95 Sätze (Thesen) an, in welchen er einige Mißbrauche
in der Kirche angriff, besonders aber den Mißbrauch des Ablasses.
Während diese Sätze auf der einen Seite freudigen Beifall fanden,
wurden sie von anderer heftig bekämpft. Zu den eifrigsten Gegnern
Luthers gehörte der Mönch Dr. Eck aus Ingolstadt, welcher es durchsetzte,
daß der Papst eine Bannbulle erließ, in der er eine Anzahl von
Luthers Schriften als ketzerisch verdammte, diesen selbst aber mit dem
Banne bedrohte, wenn er nicht widerriefe. Da zog Luther mit seinen
Freunden vor das Elsterthor und verbrannte die Bannbulle.
Der Aeichslag zu Worms. (1521.) Um diese Zeit warben die
beiden mächtigsten ausländischen Könige um die deutsche Krone, Franz
von Frankreich und Karl von Spanien. Karl hatte die östreichischen
Länder und die Niederlande, Spanien, Neapel, Sizilien und die neu
erworbenen amerikanischen Gebiete geerbt, so daß er von sich rühmen
konnte, in seinem Reiche gehe die Sonne niemals unter. Aus den
Rat Friedrichs des Weisen wurde er zum Beherrscher Deutschlands
gewählt; 1521 hielt er zu Worms seinen ersten Reichstag, aus welchem
neben weltlichen Angelegenheiten auch die kirchlichen geordnet werden
sollten. Daher wurde auch Luther zu demselben eingeladen, um vor
Kaiser und Reich sich zu verantworten. Mit einem kaiserlichen Ge¬
leitsbriefe versehen, begab er sich nach Worms. Auf dem Wege
dorthin, wie in Worms selbst, drängte sich das Volk, um den Mann
zu sehen, der es gewagt hatte, die Bannbulle des Papstes zu ver-
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