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zur Untreue. So kam durch die Sucht nach dem blinkenden Golde
das Böse in die Welt und mit ihm alles Unheil. Das Gold selbst
verlor nun seinen eigenen Glanz und blieb farblos und dunkel, wie
alles, was nicht vom Lichte der Sonne beschienen wird. Die Götter
selbst blieben nicht frei von Schuld. Ganz böse aber wurde Loki,
der fortan nur darauf dachte, Göttern und Menschen Unheil zu be¬
reiten und sie zu verderben.
Wodan (Odin). Der oberste der Götter ist Wodan. Er ist ein
hoher einäugiger Greis mit langem Barte; ein blauer, mit Sternen
besäter Mantel flattert von seinen Schultern herab; ein Goldring
schmückt seinen Arm; den Hut hat er tief in die Stirn gedrückt. So
thront er in Asgard auf seinem Hochsitze, von dem er die ganze Welt
überschaut, sinnend über das Schicksal der Götter und Menschen. Auf
seinen Schultern sitzen zwei Naben; die sendet er täglich aus, um
zu erkunden, was unten in der Welt vorgehe. Wenn sie ihren Sitz
wieder eingenommen haben, so raunen sie ihm in das Ohr, was sie
sahen und hörten. Zu seinen Füßen sitzen zwei Wölfe, denen er von
dem Fleische des wilden Ebers zu fressen giebt. Zuweilen aber bedeckt
er sich mit dem strahlenden Goldhelme, legt den goldenen Harnisch
an und nimmt den Speer in die Rechte. Dann besteigt er seinen
Schimmel und reitet den Äsen vorauf in den Kampf. Seine Waffen
leiht er auch wohl den Helden unter den Menschen; sind sie in der
Schlacht in Gefahr, so eilt er ihnen zu Hilfe, hüllt sie in seinen
Mantel und bringt sie, über Wolken und Wellen fortreitend, in
Sicherheit. — Oft auch nimmt er eine niedrige Gestalt an, verhüllt
sein Antlitz, den Hut noch tiefer in die Stirn drückend. So steigt er
herab zu den Menschen, bittet sie um gastliche Aufnähme, nimmt an
ihren Gesprächen teil, um ihren Sinn zu erkunden.
Wodan ist auch ein gewaltiger Jäger. In der Nacht jagt er
wie der brausende Sturmwind mit seinem wilden Jagdgefolge unter
lautem Hallorufen und Hundegebell durch die Luft, das Wild ver¬
folgend. Wer ihn da hört, soll sich auf die Erde werfen, damit ihm
kein Unheil widerfahre. Er ist aber auch der Gott der Dichtkunst.
Er hat die Runen erfunden, geheimnisvolle Zeichen, aus welchen man
die Zukunft erkundet und weise Sprüche zusammenfügt.
Seine Gemahlin heißt Frigg. Sie ist schön wie der Tag und
voll Anmut. Eine Freundin der Menschen, verbreitete sie Segen