Full text: Vorschule der Geschichte

dem Günther als Gattin nach Worms, und Siegfried erhielt die 
Hand der schönen Kriemhilde. Nachdem die Hochzeiten mit vieler 
Pracht gefeiert worden waren, kehrte er mit seinem Weibe nach den 
Niederlanden zurück. 
Der Zank der Irauen. Viele Jahre waren seitdem verflossen. 
Brunhilde aber wunderte sich, daß Siegfried, den sie für einen 
Unterthan ihres Mannes hielt, nicht wieder am Hofe des Königs 
erschienen war, wie es doch Pflicht der Unterthanen sei. Sie be¬ 
redete daher Günther, daß er ein großes Hoffest ansage und auch 
Siegfried mit seiner Gattin Kriemhilde dazu einlade. Ungern folgten 
diese der Einladung; erst als sich der alte Siegmund erbot, mitzu¬ 
reiten, willigten sie ein und machten sich mit großem Gefolge auf 
den Weg. Ihren kleinen Sohn aber ließen sie in der Heimat zu¬ 
rück; sie sollten ihn nicht wiedersehen. 
Zu Worms wurden die Gäste mit hohen Ehren empfangen. 
Mit Festlichkeiten vergingen froh die Tage. Da gab der böse Teufel 
der Brunhild ein, daß sie durchaus erfahren wollte, weshalb 
Siegfried ihrem Manne so lange nicht als Unterthan gedient habe. 
Als einstmals die beiden Königinnen bei einander saßen und 
den Kampfspielen der Männer zuschauten, rühmte Kriemhild die 
Schönheit und die Tugenden ihres Gatten. Brunhild aber er¬ 
widerte, er sei doch nur gering gegen den ihren, dem er ja Unter¬ 
than sei. Darüber ärgerte sich Kriemhild und sagte: „Wie kannst du 
denken, daß mein Bruder mich, die Tochter eines Königs, einem 
Unterthan zum Weibe geben werde?" Brunhild antwortete, Sieg¬ 
fried habe ihr selbst gesagt, daß König Günther sein Herr sei; man 
werde ja bal>d sehen, ob man ihr nicht höhere Ehren erweise, als der 
Gattin eines Unterthanen. Gekränkt entgegnete Kriemhild: „Das 
wollen wir sehen, ob ich nicht heute vor dir in die Kirche trete, 
damit du erkennst, daß mein Mann viel werter ist, als der deine." 
So entflammte ein großer Haß zwischen den beiden Königinnen. 
Kriemhilde ließ ihre Frauen 'prächtige Kleider anlegen und schritt 
mit ihnen zur Kirche, wo die Mannen Siegfrieds ihrer warteten. 
Bald erschien auch Brunhild mit ihrem Gefolge. Als sie die Kriem¬ 
hild erblickte, befahl sie ihr, still zu stehen; denn es gezieme der 
Unterthanin nicht, vor der Königin zu gehen. Da ergrimmte Kriem¬ 
hilde so, daß sie ihr zurief, nicht Günther, sondern Siegfried habe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.