182
war. Ein Stoß mit der Faust und zusammen fiel der frische
Verwurf, welcher das Silber und Gold des Hauswirtes ver—
barg. Der zum Tode erblaßte Edelmann hielt alles füͤr ver—
loren und bat nur den Offizier, ihm zu sagen, wer ihm das
Geheimnis verraten habe. ,Ich werde den Verräter sogleich
rufen lassen,“ sagte dieser, „ich bin ihm ohnedies eine Be—
lohnung schuldig.“ Und ohne Verzug brachte sein Bedienter
den Maurer, welcher die Vertiefung in die Mauer gemacht
hatte. Jetzt kam der Schrecken an den Maurer; denn ihm
mochte wohl sein Gewissen sagen, daß er einen Schurken—
streich begangen habe. Dazu mag ihm auch die Bank im
Vorplatze nicht geheuer vorgekommen sein. Und wirklich ließ
ihn der Offizier darauf legen und ihm von frischer Hand
hundert Prügel aufzählen. Dem Edelmanne aber gab er
unbelastet sein Eigentum zurück.
Hebel.)
123. Wien.
Der Wiener hat recht, wenn er singt: „'s gibt nur
a Kaiserstadt, s gibt nur a Wien!“ Denn nicht nur durch
ihre Größe und die Schönheit ihrer Lage sondern auch durch
die vielfachen Erinnerungen, die sich daran knüpfen, sowie
ganz besonders durch die Eigentümlichkeiten ihrer Bewohner
ist die Hauptstadt des österreichischen Kaiserstaates zugleich
die merkbürdigste Stadt aller deutschredenden Lünder. Schon
von den alten Römern angelegt, widerstand sie späterhin
mit ihren festen Mauern, Türmen und Wällen, verteidigt
durch die standhafte Tapferkeit ihrer Bewohner, mehrmals
den furchtbarsten Angriffen der siegreich vordringenden Türken;
mächtigen deutschen Kaisern aus dem habsburgischen Geschlechte
diente sie zur Residenz und die bedeutendsten unserer deutschen
Musiker, Haydn, Mozart und Beethoven, haben den größten
Teil ihres Lebens darin verbracht und hier, unter den für
alle Kunst empfänglichen Wienern, ihre Meisterwerke ge—
schaffen.
Die Stadt liegt in einer trefflich angebauten, durch Ab—
wechslung von Berg, Ebene und Wasser sehr angenehmen
Gegend am rechten Ufer der Donau, deren Spiegel fort—
während mit einer Menge Schiffe bedeckt ist, welche dem
Verkehre der Donauländer dienen. Im Norden der Stadt
bildet der Fluß mit seinen verschiedenen Armen mehrere
reizende Inseln, die mit schattenreichem Gehölz, herrlichen