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gewählt, besondere Priester gab es nicht; über den Presbytern stand der Bischof,
der die Kirchenzucht übte (Excommunication). Allmählich aber entwickelte
sich eine auserwählte Priesterherrschaft (hierarchische Aristokratie), ein Klerus,
den Laien gegenüber. Mit der Zeit verlor die Gesamtheit das Wahlrecht, und
die höchste Gewalt erlangten die Erzbischöfe oder Metropoliten, von denen die zu
Rom, Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem das höchste Ansehen
hatten. In den Kirchenversammlungen (Synoden, Konzilien) fäfften die
Bischöfe über alle kirchlichen Angelegenheiten Beschlüsse und stellten die allge-
meine (katholische Lehre fest im Gegensatz zur Häresie oder Ketzerei.
Denn schon gingen über viele Punkte des Christentums (Glaubenssätze, Dogmen)
die Meinungen auseinander. Die wichtigsten Sekten sind die der Gnostiker,
die außer dem gewöhnlichen Verständnis des Christentums noch ein tieferes phi-
losophisches für sich in Anspruch nahmen, und die der Manichäer (Mani, ein
Magier, lebte ums Jahr 250), die das Christentum mit den Grundsätzen Zo-
roasters (§. 9) zu verschmelzen suchten. Die Montanisten (Montanus,
180, gab sich, wie Mani, für den von Christus verheißenen Paraflet aus)
trieben die Sittenstrenge ins Extrem. Die Sekte der Novatianer stellte sich
als eine Gemeinde der Heiligen und Reinen hin und hob die Gemeinschaft mit
der katholischen Kirche auf. Die Donatisten (Donatus im 4. Jahrh. in Afrika)
führten lange einen Räuberkrieg gegen Kirche und Reich und mufften mit Gewalt
unterdrückt werden. Der heftigste Streit entbrannte im 4. Jahrh. zwischen Artus
und Athanasius über die Natur Christi. Jener lehrte, Christus sei zwar Gott,
aber doch von dem Bater geschaffen und von ihm abhängig; dieser behauptete die
gleiche Geltung des Vaters und Sohnes. Damals zum erstenmal ward durch
Konstantin eine allgemeine (ökumenische) Kirchenversammlung nach Nicäa be-
rufen (325), die sich für die Lehre des Athanasius entschied. Abwechselnd aber
kamen in den nächsten Zeiten beide Lehren zur Geltung; die jedesmal siegende
Partei verfolgte ihre Gegner auf das blutigste. Die Gothen, Vandalen und
Longobarden waren lange Zeit hindurch Anhänger des Arianismus.
§. 44. Völkerwanderung und Untergang des Römertnms.
Konstantin (325 — 337), durch feine Mutter Helena für das Christentum ge¬
wonnen (er siegte über Maxentius unter der Kreuzesfahne 312), begünstigte die
Christen auf jede mögliche Weise, gründete Kirchen, gab den Geistlichen Vorrechte,
nahm aber selbst erst kurz vor feinem Tode die Taufe. Je mehr das Christen¬
tum den Glauben der alten Welt überwand, desto mehr ward es auch in seiner
ursprünglichen Reinheit getrübt; die Verehrung der Jungfrau Maria und der
Heiligen, die sinnliche Einrichtung des Kultus, die Einführung von wundertätigen
Reliquien schreibt sich aus jener Zeit her; aus dem im Orient heimischen Ein¬
siedlerleben entwickelte sich im 4. Jahrh. das Mönchswesen (Antonius aus
Ägypten, die Säulenheiligen Simeon und Daniel. Kasteiuug, Ana-
choreten, Eremiten, Asketen). Später wurden die bis dahin lebenden Einsiedler
Monachi, Mönche) in eingehegte Plätze (claustra, Klöster) versammelt und ge-
memsamen Regeln unterworfen. Konstantin verlegte die Residenz nach Byzanz
(seitdem Konstantinopel genannt), teilte das Reich in 4 Präfekturen, die
wieder in Diözesen und Provinzen zerfielen (Orient, Jllyricum, Italien, Occident),
führte die Grund-, Gewerbe- und Kopfsteuer ein, regelte das Poftwefen, umgab
sich mit einem sehr zeremoniell eingerichteten Hofstaat (7 Hofämter bildeten den
Staatsrat). Nach feinem Tode brachen unter feinen Söhnen Mutige Kämpfe
aus; Konstantins (337—360) trug zuletzt den Sieg davon. Ihm folgte fein
Vetter Julianus Apostäta (361—363), ein tapfrer Krieger, einfach und alt-
Lange. Allgem, Geschichte. 10. Aufl. .