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Erster Zeitraum. III. Abschnitt.
ausgab und die Strenge des christlichen Lebens und der Kirchenzucht
aus die Spitze trieb, bestanden als Gemeinde bis in's 6. Jahrhundert;
aus ihrer Gemeinschaft stainmt Cerinthus, der begeisterte Verkündiger
von der Wiederkunft Christi nach tausend Jahren (Chiliaömus); die
Novatianer, welche gleich den Vorigen die Kirchenzucht so weit trie¬
ben, dass alle Todsünder von der Kirche, als einer Gemeinde der Heili¬
gen , hoffnungslos ausgeschlossen wurden, die Gemeinschaft mit der
katholischen Kirche aufhoben und die Uebertretenden noch einmal tauften;
die Doketen, welche die Körperlichkeit Christi leugneten und nur für
Schein und Erscheinung des Geistes erklärten; die Nazaräer und
Ebioniten, die den Messias bald als bloßen Menschen, bald als
höheres, durch -jungfräuliche Empfängniss gebornes Wesen hielten.
Die Manichäer, eine von dem Magier Mani gegründete und
von Heiden und Christen gleich stark gehasste Sekte, waren im ganzen
Morgenlande weit verbreitet und hatten auch in Afrika und Italien ihre
Anhänger. Mani, der sich ebenfalls für den verheißenen Paraklet aus¬
gab, wollte alle Religionen vereinen, wurde aber von den Christen ver¬
stoßen und von den Magiern verfolgt, die auch seine Hinrichtung (277)
durch den König Varanes bewirkten. Er vermischte in wunderbarer
Weise magische Lehren mit christlichen. Die Sekte war streng in der
Lebensweise, enthielt sich der Ehe, des Fleisches und der berauschenden
Getränke, ihr Cultus war einfach, doch wurde keine Sekte so sehr ge¬
hasst, als diese, so dass der Name Manichäer in weiterer Bedeutung,
wie zur Brandmarkung, auf alle Feinde der Kirche ausgedehnt wurde.
Lieber die Zeit der Osterfeier entstand schon in früher Zeit ein hef¬
tiger Streit. Die syrische Partei, welche vom 14. Tage des jüdischen
Monats Nisan Quartodecimaner oder Tessareskaidekatiten
hießen, behielt die Zeit des jüdischen Passahsestes bei und wurde durch
die Kirchenversammlung zu Nicäa förmlich verflucht. Ein so geringes
Schisma schien den Priestern Jesu der Verfluchung und den Kaisern
(z. B. Theodosius d. Gr.) der Hinrichtung werth.
Folgenreicher war der Kampf der Donatisten gegen die Ortho¬
doxen. Donatus, von der strengen Partei in Afrika als Gegenbischof
des Cäcilian von Karthago aufgestellt, erhielt von den höchsten bürger¬
lichen Behörden und von der Kirchenversammlung zu Arelate (314) un¬
günstigen Bescheid, aber seine Partei vertheidigte drei Jahrhunderte lang
ihre vermeintlichen Rechte. Von der Orthodoxie ausgestoßen, verflucht,
selbst von der weltlichen Macht verfolgt, ergriffen die Bauern von Nu-
midien und Mauretanien ihre Keulen und führten das ganze 4. Jahr¬
hundert hindurch mit unerhört fanatischer Wuth einen Räuberkrieg, um
die Trümmer ihrer eingeäscherten Kirchen und das Blut ihrer erschla-
gene,l Priester zu rächen. Vor allen zeichneten sich hiebei die Circum-
cellionen, eine Schaar herumschweifender fanatischer Asceten, die sich
selbst Agonistici, d. h. Streiter für Gottes Sache, nannten, aus. Con-