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und Gerechtigkeit und ein lebendiger Glaube an eine Gottheit, die das Gute Be¬
lohne und das Böse bestrafe. Die andern Lehrer feindeten ihn deshalb an. Er
machte es aber klug. Nicht durch lange Reden trat er gegen sie auf, sondern
er suchte sie in sein Gespräch zu ziehen. Dann legte er ihnen Fragen vor und
brachte sie dadurch, dass er das Falsche ihrer Antworten nachwies, so in Ver-
legenheit, dass sie ihm zuletzt Recht geben mufften. Ganz auf dieselbe Weise ver-
fuhr Sokrates mit seinen Schülern, die sich in großer Anzahl um ihn versam-
metten. Er ging mit ihnen spazieren und führte sie durch Fragen und Ant-
Worten auf die tiefsten Wahrheiten.
§. 15. Der Tod des Sokrates. So hatte Sokrates ein Alter von
siebzig Jahren erreicht und war von den meisten Athenern sehr geehrt. Allein
seine Feinde ruhten nicht, und da bekanntlich die ©riechen mehrere Götter hatten
und Sokrates häufig sprach, als ob es nur einen Gott gebe, so klagten sie ihn
vor Gericht an. Sie sagten: „Sokrates leugnet die Götter und verdirbt die
Jugend; deshalb verdient er den Tod." Es war nun Sitte, dass die Angeklagten
sich durch eine Rebe verleidigten oder verteidigen ließen. Sokrates hielt selbst
seine Verteidigungsrede. Er sagte unter andern: „Niemand weiß, was der Tod
ist, und ob er nicht für den Menschen das größte unter allen Gütern ist. Wür-
det ihr, Athener, mich nicht zum Tode verurteilen, so würde ich sagen: ich bin
zwar euer Freund, gehorchen aber werde ich dem (Sötte mehr als euch, und so
lange ich noch athme und es vermag, werde ich nicht aufhören , nach Weisheit
zu suchen, und treffe ich einen von euch, so werde ich sagen: Wie, bester Mann,
schämst du dich nicht, dass du dafür sorgest, Geld und Ruhm und Ehre zu er-
langen, für Einsicht und Wahrheit aber nicht zu sorgen? So werde ich mit
Jungen und Alten, verfahren, wie ich sie eben treffe, denn so befiehlt es der
Gott." Nachdem Sokrates so gesprochen, fühlten sich die Richter beleidigt und
verurteilten ihn, den Giftbecher zu trinken. Sokrates wurde in den Kerker ge=
führt, und als einer seiner Schüler im tiefsten Schmerze ausrief: „Nein, so un-
schuldig sterben zu müssen!" sagte Sokrates lächelnd: „Möchtest du etwa lieber,
dass ich schuldig stürbe?" Ein Freund brachte Sokrates Geld und forderte
ihn auf, zu fliehen. Sokrates wies dies aber zurück, weil er den Gesetzen nicht
ungehorsam sein wollte. Man brachte den Schierlingsbecher. „Wie muss ich's
machen? fragte Sokrates. „Du mufft trinken und umhergehen, bis die Füße
schwer werden, und bann dich niederlegen," erhielt er zur Antwort. Sokrates
trank ben Becher aus. Seine um ihn stehenden Schüler weinten bitterlich.
Als bas Gift stark zu wirken anfing, legte sich Sokrates meber und sagte zu
einem semer Schüler: „Wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig, opfert
ihn ja und versäumt es nicht." Dies waren die letzten Worte des weisesten und
besten Mannes.
Es läfft sich leicht denken, dass mit dem Tode dieses Weisen nicht auch seine
Lehren starben. Vielmehr suchten seine Schüler, ganz besonders Plato, den
Samen der Weisheit und Tugend weiter zu verbreiten.
3UribtöDc0 (Alkibiades).
§• 16. Der peloponuefische Krieg. Es ist schon oben gesagt wor-
den, dass die griechischen Staaten nicht selten unter sich uneinig waren. Ursachen
zur Uneinigkeit gab es so manche. Athen und Sparta entzweiten sich gewöhnlich
aus Eifersucht. Wenn der eine Staat glückliche Eroberungen machte und dadurch
sein Besitztum erweiterte, so war der andere darüber neidisch. Dieser Neid brach
ungefähr vierzig Jahre nach den Kämpfen mit den Persern in einen heftigen
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