Full text: Geschichtliches Lesebuch

IX. 0riefen, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. 133 
Laubdach, welches, wenn es vom Sturm entblättert wird, aus innerem 
Naturtrieb sich von selbst wieder auferbaut. (Auf der Linken: Sehr 
gut!) Wir verlangen eine republikanische Spitze, welche über den 
einzelnen Dynastieen steht. — Sie werden sagen, wenn ein solcher 
Befehlshaber an die Spitze gestellt wird, so wird er ein Befehlshaber 
ohne Macht, ein Fürst ohne Land, ein Mann ohne Ansehen sein, die 
Fürsten werden ihm nicht folgen, und die Völker auch nicht. Ich 
sollte jedoch denken, Macht wird ihm das deutsche Volk hinlänglich 
geben, wenn er dessen Sympathieen hat. Hätte er die Sympathieen 
des deutschen Volkes gegen sich, dann soll er keine Macht haben. 
Allerdings brauchen wir Macht, und Macht und abermals Macht; 
allein, meine Herren, wir wollen daran denken, daß wir eine Macht 
schaffen, bie wir haben, nicht eine Macht die uns hat. (Zustimmung 
und Beifall auf der Linken.) Sie werden ferner sagen, es sei ganz 
unmöglich, diese Staatsform ins Leben zu rufen. Allein ich muß 
offenherzig gestehen, auf bie größere ober geringere Schwie¬ 
rigkeit kann ich ein so entscheibenbes Gewicht nicht legen. 
Ist nicht jebe anbre Staatsform ebenso unmöglich ins Leben zu rufen, 
unmöglich durch bie Eifersucht unb ben Wiberstanb ber Dynastieen, 
unmöglich durch bas Wiberstreben bes Volkes? Jeber anbre Vor¬ 
schlag, welcher Ihnen gemacht worben ist, leibet noch an einer inneren, 
sittlichen unb rechtlichen Unmöglichkeit, weil er auf falschen Grnnb- 
sätzen beruht. Dieser Vorschlag, ben wir Ihnen vorlegen, leibet 
höchstens an einer äußeren Unmöglichkeit. — Sollte aber 
ber beutfche Volksgeist allzusehr erschlafft fein unb nicht mehr bie 
Energie haben, bie Durchführung eines wahrhaft gerechten unb volks¬ 
tümlichen Systems zu bewirken, so wollen wir bas, was wir für 
richtig erkannt haben, doch nicht aufgeben unb wir wollen es bem 
beutfchen Volke hinstellen als ein Vermächtnis für bie Zukunft, wir 
wollen es ihm unverstümmelt unb unverkürzt hinterlassen." 
Von Direktorium und Turnus zu reden lohnt sich nicht der Mühe, 
erwähnt sei nur, daß Karl Welcker in seinem Drange, um Öster¬ 
reichs willen dem preußischen Erbkaiser zu entgehen, auf den Gebanken 
verfallen war, Direktorium unb Turnus in bem folgenben unglaub¬ 
lichen Vorschlag zu verbinden: „Die höchste Regierungsgewalt wird 
den Regenten derjenigen zwei Einzelstaaten, welche die größte Volks¬ 
zahl haben, in ber Art gemeinschaftlich übertragen, baß bie Ausübung 
derselben von sechs zn sechs Jahren unter ihnen wechselt, nur baß für 
Verhinbernngsfälle jeber von ihnen als Stellvertreter bes anbern
	        
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