Full text: Erzählungen aus der römischen Geschichte (Teil 2)

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welche den Plebejern dieses Recht erwarben. Die Veran- 
lassung wird in folgender Weise erzählt: 
Der vornehme Patricier Fabius Ambustus hatte zwei 
Töchter, von denen die eine mit einem Patricier, die andere 
mit einem Plebejer, Licinius Stolo, vermählt war. Einst 
besuchte die Frau des Tribunen Licinius ihre Schwester, die 
an den patricischen Kriegstribunen verheiratet war, als sie 
plötzlich über den Lärm erschrocken zusammenfuhr, den die 
Viktoren des heimkehrenden Kriegstribunen an der Thür ver- 
ursachten. Sie ward von ihrer Schwester über diese Furcht 
verlacht, welche den niedrigen Stand verriete, wohin sie ihre 
Hand vergeben habe. Der Gram über diese von der Schwe- 
ster erlittene Beleidigung verzehrte sie dergestalt, daß ihr 
Mann und selbst der Vater ihr versprechen mußten, alles 
aufzubieten, daß ihrem Hause und Stande gleiche Ehre zu 
Teil werde. 
Nun trat Licinius mit dem Antrage auf, daß der eine 
der beiden Konsuln immer aus den Plebejern gewählt werden 
solle. Diesen Vorschlag bekämpften die Patricier aus allen 
Kräften und bestachen von den zehn Tribunen die acht übri- 
gen, damit diese durch ihre Einsprache den ganzen Antrag 
vereiteln sollten. Aber Licinius und Sextius hielten fest 
zusammen und hinderten ihrerseits durch ihre Einsprache die 
Wahl aller höheren Obrigkeiten fünf Jahre hindurch, da sie 
vom Volk immer wieder von neuem zu Tribunen gewählt 
wurden. Mit der Zeit wurde jedoch der Widerstand der 
Patricier schwächer, da es ihnen nicht mehr gelang, die 
übrigen Tribunen durch Bestechungen für sich zu gewinnen. 
Endlich nach einem zehnjährigen Kampfe (376 bis 367 v. 
Chr.) wurde der Antrag zum Gesetz erhoben. Von da an 
waren auch die Plebejer zum Konsulat berechtigt, und Lu- 
cius Sextius, der mit Licinius so beharrlich Stand gehalten 
hatte, wurde der erste plebejische Konsul. 
Doch nicht bloß dieses, sondern noch ein anderes Recht 
setzten die beiden Tribunen für die Plebejer durch. Bis 
dahin hatten sich nämlich die Patricier allein das Recht an- 
gemaßt, von den Gemeindeländereien des Staates, so viel 
als sie nur wollten, in Besitz zu nehmen, während die Ple- 
bejer davon ausgeschlossen waren. Zugleich mit seinem An- 
trage über das Konsulat brachte deshalb Licinius auch das
	        
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