16. Doktor Mattin Luther.
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durch des Gesetzes Werke, sondern allein durch den Glauben", und daß
wir im dritten Artikel bekennen: „Ich glaube an eine Vergebung der
Sünden." Das war Balsam für die wunde Seele.
3. An der Spitze des Augustinerordens stand ein frommer Oberer,
Staupitz mit Namen. Dieser wurde bald aufmerksam auf den eigengearteten
Mönch, der es so ernst nahm mit seiner Besserung. Bald erkannte er,
daß er ihn aus dem einsamen Grübeln herausreißen müsse. Nun war
damals (1502) eine neue Universität in Wittenberg, der Hauptstadt des
Kurfürstentums Sachsen, gegründet worden, und Staupitz war dort selbst
Professor. Hierhin berief er Luther, ganz gegen dessen Willen. Der
Mönch glaubte diesem Lehramte nicht gewachsen zu sein. Aber Staupitz
kannte ihn besser; er wußte, wie gründlich sich sein Schützling mit einem
Buche, das in jener Zeit wenig gekannt und wenig gelesen wurde, mit
der Bibel beschäftigt hatte. Im Verkehr mit der Jugend lebte Luther
wieder auf; er wurde ein tüchtiger Lehrer. Von Wittenberg aus machte
Luther im Auftrage feines Ordens eine Reise nach Rom. Hier in der
Hauptstadt der Christenheit hoffte er wirklich fromm zu werden. Eine
Treppe von 28 Stufen rutschte er auf den Knien hinauf, weil das für
ein besonders gutes Werk galt. Aber mit Schrecken sah er, daß die Priester
in Rom schlecht handelten und über das, was dem deutschen Mönch das
Heiligste war, spotteten. Zurückgekehrt wirkte Luther in Wittenberg nicht
nur als Professor, er wurde auch Prediger an der Schloßkirche daselbst.
Wie der Mönch es mit der eigenen Besserung recht ernst genommen
hatte, so war es ihm als Seelsorger eine heilige Pflicht, vor Sünde und
leichtfertigem Wesen zu warnen. Das trieb ihn in einen schweren Kampf
hinein.
4. In der Nähe Wittenbergs verkaufte ein ungebildeter Dominikaner¬
mönch Tetzel Ablaßzettel und behauptete, die Vergebung der Sünden
könne durch Geld erlangt werden. Freilich handelte Tetzel nicht ans
eigener Machtvollkommenheit, sondern war vom Erzbischof von Mainz,
dem höchsten Geistlichen in Deutschland, und vom Papste mit dem Ver¬
kauf der Ablaßzettel beauftragt. Luther fühlte sich in seinem Gewissen
gedrungen, feine Beichtkinder darüber zu belehren, daß ohne wahre Reue
und Buße kein Mensch Vergebung der Sünden erhoffen dürfe. Um diese
Lehre zu verbreiten, schlug er am 31. Oktober 1517 an die Tür der
Schloßkirche 95 kurze Sätze (Thesen) an, die so schnell in Deutschland
und darüber hinaus bekannt wurden, als ob die Engel selbst Botenläufer
gewesen wären.*)
*) Die Verbreitung konnte so schnell erfolgen, weil um das Jahr 1450 von
Johann Gutenberg aus Mainz die Buchdruckerkunst erfunden worden war.