Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen

61 
des Kaisers und der katholischen Fürsten war die Reichsacht, d. h. jeder- 
mann durfte ihn ungestraft töten. 
5. Um ihn zu schützen, ließ ihn Friedrich der Weise heimlich auf 
der Rückreise überfallen und verkleidet auf die Wartburg (bei Eisenach) 
bringen. Als Junker Jörg hat er hier gelebt, aus dem Mönch war 
äußerlich ein Ritter geworden. Die Frucht der Einsamkeit war die Über- 
setzung der Bibel ins Deutsche. Aber lange war seines Bleibens in der 
Verborgenheit nicht. Er hörte, daß angebliche Anhänger große Ver- 
wirrung in Wittenberg anrichteten, die Kirchen der Bilder beraubten; 
sofort gab er, obgleich Friedrich der Weise ihn warnte, seinen schützenden 
Zufluchtsort auf und kehrte nach Wittenberg zurück, vertrauend auf Gott, 
der ihn besser schützen könne als sein Kurfürst. Durch die Gewalt seiner 
Predigt stillte er den Aufruhr, desfen die weltliche Obrigkeit nicht hatte 
Herr werden können. 
Wohl hatte er einen vertrauten Freund, Philipp Melanchthon; doch 
war dieser zu nachgiebig. Beide ergänzten sich vortrefflich. Wenn Luther 
sich ja einmal von seinem stürmischen Wesen fortreißen ließ, wirkte 
Melanchthon mäßigend auf ihn ein. Er war ein stiller Gelehrter, der 
sich von vornherein zu der kräftigen Natur Luthers hingezogen gefühlt 
und sich ihr untergeordnet hatte. Luther erkannte seinerseits den Wert 
Melanchthons neidlos an. Treffend verglich er sich selbst mit dem groben 
Waldarbeiter, der Klötze und Baumstümpfe ausroden muß, um das Land 
zuzurichten für den Anbau, und den Freund mit einem Gärtner, der die 
Pflänzlein fein säuberlich begießt und mit Lust hegt und pflegt. Ohne 
diese Vereinigung von Kraft und Lindigkeit würde die Kirchenverbefserung 
nicht zustande gekommen sein. 
Es galt nicht nur Mißbräuche abzuschaffen, sondern auch eine neue 
Kirche aufzurichten; es mußte die eingerissene Unwissenheit der Geist- 
lichen beseitigt werden. Da aber Luther den Lehren der Bibel gemäß 
auch den schlichten einfachen Leuten, besonders den Hausvätern, eine kurze 
Anleitung über die christlichen Lehren geben wollte, so schrieb er den 
Katechismus. Besondern Wert legte er auf die Unterweisung der Jugend; 
er befürwortete allenthalben die Einrichtung von Schulen, und Melanch- 
thon war auch hierbei sein treuester Gehilfe. Ihr Glaubensbekenntnis 
legten die Evangelischen auf dem Reichstage zu Augsburg (1530) ab. 
Luther selbst durfte hier, da er noch in des Reiches Acht und der Kirche 
Bann war, nicht erscheinen. Ungefähr in dieser Zeit hat er das Lied 
gedichtet: „Ein' feste Burg ist unser Gott". Der Sohn Friedrichs des 
Weisen von Sachsen, Johann, verdiente sich durch sein treues, tapferes 
Festhalten am Evangelium den Ehrennamen „der Beständige".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.