Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

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seiner Besserung. Bald erkannte er, daß er ihn aus dem einsamen Grübeln 
herausreißen müsse. Nun war damals (1502) eine neue Universität in 
Wittenberg, der Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen, gegründet worden, 
und Staupitz war dort selbst Professor. Hierhin berief er Luther, ganz 
gegen dessen Willen. Der Mönch glaubte diesem Lehramte nicht gewachsen 
zu sein. Aber Staupitz kannte ihn besser; er wußte, wie gründlich sich sein 
Schützling mit einem Buche, das in jener Zeit wenig gekannt und wenig 
gelesen wurde, mit der Bibel beschäftigt hätte. Im Verkehr mit der Jugend 
lebte Luther wieder auf; er wurde ein tüchtiger Lehrer. 
Staupitz ging noch weiter; er zwang Luther auch die Kanzel zu be- 
steigen und als Prediger an der Schloßkirche in Wittenberg zu wirken. 
Wie der Mönch es mit der eigenen Besserung recht ernst genommen hatte, 
so war es ihm als Seelsorger eine heilige Pflicht, vor Sünde und leicht¬ 
fertigem Wesen zu warnen. Das trieb ihn in einen. schweren Kampf 
hinein. 
4. In der Nähe Wittenbergs verkaufte ein ungebildeter Dominikaner- 
mönch Setzet Ablaßzettel und behauptete, die Vergebung der Sünden könne 
durch Geld erlangt werden. Freilich handelte Tetzel nicht aus eigener 
Machtvollkommenheit, sondern war vom Erzbischof von Mainz, dem höchsten 
Geistlichen in Deutschland, und vom Papste mit dem Verkauf der Ablaß- 
zettel beauftragt. Luther fühlte sich in feinem Gewissen gedrungen, seine 
Beichtkinder darüber zu belehren, daß ohne wahre Reue und Buße kein 
Mensch Vergebung der Sünden erhoffen dürfe. Um diese Lehre zu ver- 
breiten, schlug er am 31. Oktober 1517 an die Thür der Schloßkirche 
95 kurze Sätze (Thesen) an, die bald in ganz Deutschland Zustimmung 
fanden. 
Dem Ablaßhandel wurde damit gesteuert und eine Verbesserung der 
Kirche (Reformation) dadurch eingeleitet; die Kirchenfürsten waren aber so 
erbittert über den Mönch, der es wagte, ihre Einnahmen zu schmälern, daß 
Luther wegen falscher Lehren vom Papste in den Bann gethan und aus 
der Kirche ausgestoßen wurde. Aber sein Landesfürst, der Kurfürst Fried- 
rieh der Weife von Sachsen, schützte den mutigen Bekenner seiner Über- 
zeugung. Doch konnte er nicht verhindern, daß der (1519) zum deutschen 
Kaiser gewählte König Karl von Spanien sich auf die Seite des Papstes 
stellte und Luther nach Worms zu einem Verhör vor Kaiser und Reich 
berief. Alle Freunde rieten von der Reise ab; aber der streitbare Refor¬ 
mator, seines Gottes voll, erklärte, er werde nach Worms gehen, wenn so 
viele Teufel drin wären, wie Ziegeln auf den Dächern. Doch schien ihn
	        
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