Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

— 75 — 
nicht sein Wunsch, auf einem Schlachtfelde sich Ruhm zu erwerben; aber 
das Vaterland rief ihn, und er gehorchte dieser Stimme. 
Im Kriege von 1866 übernahm er die Führung eines Heeres. Schon 
damals wurde seine Standhaftigkeit auf eine harte Probe gestellt: einige 
Tage vor seiner Abreise auf den Kriegsschauplatz erkrankte sein jüngster 
Sohn, Prinz Sigismund; schweren Herzens mußte er die bekümmerte 
Gemahlin am Krankenbette des Kindes allein lassen. Als nach wenigen 
Tagen der Tod dem zarten Leben ein Ende machte, versagte es ihm sein 
Pflichtgefühl, in die Heimat und zu seiner trauernden Familie zurückzueilen. 
3. Mit großer Bescheidenheit führte er sich als Oberfeldherr ein; den 
ergrauten Generälen, die unter ihm standen, sprach er seine Empfindungen 
offen aus: „Es ist eigentlich wunderbar, daß ich junger Mann Sie in dem 
Feldzuge kommandieren soll, die Sie so viel mehr Erfahrung haben als 
ich." Aber bald zeigte sich, daß seine Beliebtheit bei den Soldaten, seine 
Kaltblütigkeit im Augenblicke der Gefahr und sein Verständnis für die 
Kriegführung ihn zu Großthaten befähigten. Ihm zu Liebe ertrugen die 
Truppen, mit denen er alles Ungemach teilte, willig die größten Anstren- 
gungen. Wenn er, Allen bekannt, eine hohe ritterliche Erscheinung, das 
Auge voll Wohlwollen und Teilnahme, häufig ein launiges Wort auf den 
Lippen unter ihnen erschien, jubelten sie ihm zu; vergessen waren Müdig- 
keit und Entbehrungen, selbst die Todesgefahr; unter den Augen des Krön- 
Prinzen gab es nur eine Möglichkeit: voll und ganz seine Schuldigkeit 
zu thun. 
So glückte es ihm zu dem entscheidenden Siege von Königgrätz 
(3. Juli 1866) wesentlich beizutragen; trotz großer Entfernung brachte er 
sein Heer zur rechten Zeit an den Feind. 
4. Ruhmgekrönt kehrte er aus dem Feldzuge zurück; aber liebgewonnen 
hatte er die rauhe Kriegsarbeit nicht. Höher stellte er die Aufgabe, die 
neugewonnenen Provinzen (Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen-Nassau) 
mit ihrem Schicksal auszusöhnen und auch in Süddeutschland den Haß gegen 
Preußen zu überwinden. Mit seiner aufrichtigen und wahren Liebe für 
alle Deutschen, mochten sie diesem oder jenem Stamme angehören, gewann 
er ihre Herzen; bald begrüßte man ihn auch dort mit der vertraulichen 
Bezeichnung: „Unser Fritz". 
Sein gewinnendes Wesen trug nicht wenig dazu bei, daß im Kriege 
von 1870 alle deutschen Stämme mit einmütiger Begeisterung in den Krieg 
gegen die Franzosen zogen. Derselbe Prinz, der es für die heiligste Pflicht 
erklärt hatte, den Krieg, wenn irgend möglich, zu vermeiden, den unver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.