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II. Lebensbilder aus der Deutschen Geschichte.
sich die nahe verwandten Stämme der Germanen. Um das schöne Italien
für sich zu gewinnen, zogen die Ostgoten gegen Odoaker heran.
An ihrer Spitze stand ein heldenhafter Fürst namens Theoderich.
der, ähnlich wie Armin, in seiner Jugend unter den Römern gelebt hatte.
Mit acht Jahren war er als Geisel nach Konstantinopel gekommen; der
kluge Jüngling hatte den Römern ihre Bildung, ihre Künste im Kriege
und im Frieden abgelauscht; daun war er zu seinem Volke zurückgekehrt,
das unter innerer Zwietracht litt. Mit starker Hand einigte der junge
Theoderich die Ostgoten. Dann führte er sie, die voll Sehnsucht nach
den herrlichen Gefilden des Südens waren, in Odoakers Gebiet. Ein
harter Kampf entbrannte: Germanen gegen Germanen; endlich siegte der
Gotenkönig. Aber so gefährlich erschien ihm der Gegner, dessen Treue er
nicht traute, daß er ihn bei einem Gelage trotz des gegebenen Wortes
mit eigener Hand tötete.
^Regierung^ So gut wie unter seiner Regierung hatte es Italien lange nicht
Theodcrichs. gehabt. Mit gleicher Gerechtigkeit und Milde beherrschte er die Goten wie
die unterworfenen Italiener. j3)ie Römer hatten sich in furchtbaren
Bürgerkriegen gegenseitig bekämpft, und die Kaiser hatten von ihren
Untertanen ungeheure Steuern erhoben; jetzt endlich kehrte der goldene
Friede und damit Sicherheit und Ruhe wieder ein. | Die Gerechtigkeit des
Königs wurde so geachtet und gefürchtet, daß man — dem Sprichwort zu-
folge — Gold auf den Straßen liegen lassen konnte, ohne daß es ge-
stöhlen worden wäre.
So wurde er geehrt, fast geliebt, und konnte es wagen, die schwere
Ausgabe lösen zu wollen: die seinen Goten verwandten Stämme der
Germanen zu einigen, so daß sie ihre Fehden vergessen, ihre Streitigkeiten
seinem richterlichen Schiedsspruch überlassen sollten. Aber viele trauten
ihm nicht, hatte er doch auch dem Odoaker nicht Wort gehalten. Das
erbitterte ihn, er wurde selbst mißtrauisch und hat sogar seine trenesten
Freunde verfolgt. Nach seinem Tode (526) brach auch bald sein Reich
zusammen.
bSorl 1 Wohl versuchten seine Tochter Amalaswintha und deren Nachfolger,
(tütcitreid)e§. £,en ^on Osten vordringenden Römern Halt zu gebieten; die tüchtigen
Uyv Feldherren des oströmischen Kaisers (Belisar und Narses) besiegten sie.
Am Vesuv wurde der letzte Ostgotenkönig Teja mit einem kleinen Häuf-
lein seiner Getreuen eingeschlossen. In einem Engpaß schützte er lange
wie ein gewaltiger Turm die hinter ihm stehenden ©einigen. Die gegen
ihn geschleuderten Pfeile und Wurfspieße fing er geschickt mit seinem
Schilde auf. Als dieser von feindlichen Geschossen starrte, ließ er ihn
fallen und wendete sich zu seinem Waffenträger, um einen neuen in