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II. Lebensbilder aus der Deutschen Geschichte.
Friedrichsruh besuchte, „als Deutschlauds Kaiser gastet wieder bei dem,
der Deutschlauds Dom gebaut".
Unzählige wanderten seit dem Scheiden Bismarcks aus seinen Ämtern
nach dem Ruhesitze des Fürsten, nach Varzin und Friedrichsruh, wie sie
ihm vorher auf einer Reise durch Deutschland allerorts zugejubelt hatten.
Allen, ob aus dem Norden oder dem Süden, aus dem Westen oder dem
Osten des Vaterlandes, ob gereiften Männern, ob lebensfrischen Studenten,
ob hoch oder gering, stärkte seine freundliche, herzergreifende Rede die
Liebe zu Kaiser und Reich, blieb sein Anblick eine weihevolle Erinnerung
fürs ganze Leben.
Und die Männer kamen nicht allein, sie brachten ihre Frauen unb
ihre Töchter mit. Darüber freute sich der Fürst am meisten. Auf den
Glückwunsch der Klaffe einer Höheren Töchterschule hat er besonders
freundlich geantwortet, und als die Westpreußen ihm huldigten, küßte er
das junge Mädchen, das ihm einen Blumenstrauß überreichte.
Zu seinem achtzigsten Geburtstage war unser Kaiser der erste, der
ihm seine Glückwünsche übersandte, und wie sein siebzigster, so wurde auch
fein achtzigster Geburtstag ein Nationalfeiertag.
Am 30. Juli 1898 schloß Bismarck die Augen zum letzten
Schlummer. Über seinem Grabe rauscht der deutsche Wald, auf feinem
Sarge sieht die von ihm selbst gewählte Inschrift: „Ein treuer deutscher
Diener Kaiser Wilhelms I."
Wie der Kaiser das Andenken des großen Mannes ehrte, indem er
seiner Hülle in Berlin an der Seite seiner Vorfahren die letzte Stätte
bereiten wollte, so erheben sich wie für Kaiser Wilhelm I. auch für
den Fürsten Bismarck überall in Deutschlands Gauen Denkmäler und
Gedenktürme, von denen am Abend des Sommer-Sonnenwendtages die
lodernden Feuer verkünden, daß Deutschlands großer Kanzler nicht ver-
gessen ist von seinem Volke.