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II. Deutsche Sagen.
beim Markgrafen Rüdiger. Herrlich wurden sie hier empfangen. Die
Frauen des Hauses, Rüdigers Gemahlin und deren schöne Tochter, be-
grüßten die Helden. Fröhlichkeit herrschte an der reich geschmückten Tafel.
Glücklich pries man den Markgrafen, dem Gott ein so treffliches Weib
und ein so holdselig Töchterlein beschert. Und holdselig erschien Ditelinde
vor allem dem jungen König Giselher. Seine Liebe scmd Erwiderung.
Die edeln Fürstenkinder wurden miteinander verlobt. Aber nur wenige
Stunden des Glückes waren ihnen beschieden. Nie sollte der Verlobte
die junge Braut wiedersehen. Zum Schlüsse wurdeu die Gäste reich be-
schenkt. Von einem teuern Andenken, dem Schilde des gefallenen Sohnes,
trennte sich die Mutter Hagen zu Ehren. Gunters Bruder Gernot erhielt
ein Schwert oon ihr; sie ahnte nicht, daß diese Gabe ihrem lieben Ehe-
Herrn den Tod bringen sollte.
Am Hose Etzels angelangt, merken die burgundischen Helden bald,
daß ihrer ein schweres Los harrt, daß sie der Rache Kriemhilds verfallen
sind. Gewarnt sind sie schon durch den Helden Dietrich von Bern, so daß
sie trotz Kriemhilds Aufforderung ihre Waffen nicht abgeben.
In grimmigem Trotze beginnt Hagen bald selbst den Streit, indem
er damit Prahlt, der Mörder Siegfrieds gewesen zu sein. Er und sein
treuer Freund Volker, der den Geigenbogen fo gut zu führen verstand
wie sein Schwert, hielten die Hunnen in ehrerbietiger Entfernung, so daß
sie keinen Angriff wagten. Aber Kriemhild spornt durch Tränen, klagende
Reden und lockende Versprechungen einen Hunnenhaufen nach dem anderen
an, den Kampf gegen die Bnrgunden aufzunehmen. In der Nacht vor¬
dem entscheidenden Kampfe hielten Volker und Hagen Wacht. Volker
spielt deu Ermüdeten das Schlummerlied. Der dämmernde Morgen weckt
die Helden. Gewaffnet treten sie den Kirchgang an. Dann findet ein
Turnier statt, doch schon hier beim fröhlichen Kampfspiel fließt Blut.
Weiteren Kampf verhinderte König Etzel. Während dann die Herren
beim Festmahl in des Königs Saale sitzen, werden die Knechte auf Kriem-
hilds Anstiften von den Hunnen überfallen und allesamt erschlagen. Als
der Held Dankwart den Versammelten die Schreckensmär verkündet, tötet
Hagen König Etzels kleinen Sohn, den dieser voll Stolz den Gästen
aus Burgundenland gezeigt hat.
Nun gibt es keine Möglichkeit der Versöhnung, außer wenn die
Burguudenkönige den Mörder Siegfrieds ausliefern wollen. Aber hat
er aus Mannentreue gefrevelt, jetzt erfährt er die Treue seiner Herren.
Rundweg wird das Verlangen abgeschlagen. Teuer verkaufen die Bur-
gunden ihr Leben. In tapferem Kampfe fällt einer nach dem anderen.