Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
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ihnen ein Vorbild im Zleiße sein, denn er lernte noch in hohem Hlter das
Schreiben; Täfelchen und Griffel pflegte er im Bett unter dem Kopf*
kissen zu bewahren, um in müßigen oder schlaflosen Stunden sich in der
in seiner Jugend versäumten Schreibkunst zu üben. Unermüdlich tätig
war der Kaiser vom frühen Morgen bis zum späten Abend, sogar bei
den Mahlzeiten feierte er nicht, sondern ließ sich von den Taten der vor-
fahren vorlesen. Er sammelte die alten germanischen Heldensagen, führte
für Monate und Winde fränkische Bezeichnungen ein und machte den
versuch, eine Grammatik seiner Muttersprache zu schreiben.
Karl hat sich immer als Germane gefühlt, darum war auch der Mittel- Da"
punkt seiner Herrschaft, obschon er römischer Kaiser war, auf altfränkischem Karls &«s
Gebiet in Hachen. In dieser Stadt, die Karl mit herrlichen Bauwerken
schmückte, weilte er am liebsten, hier entfaltete sich ein reiches, glänzendes
hofleben, und hier trafen die Gesandten aller Länder zusammen. Sogar
aus dem fernen Morgenlande sandte der Kalif von Bagdad, Harun al
Raschid, Boten mit reichen Geschenken, darunter einen viel angestaunten
Elefanten und eine Wasseruhr. Diese, aus Messing verfertigt, zeigte den
Ablauf der Stunden durch kleine Kugeln an, die in ein Becken fielen und
es erklingen ließen. Waren alle 12 Stunden vorüber, so kamen 12 Heiter
aus 12 Toren, umritten sie und verschwanden auf der andern Seite
ebenfalls hinter 12 Toren.
Karls äußere Persönlichkeit war ehrfurchtgebietend. Gewaltig über¬
ragte sein Körper das Maß der übrigen Menschen. Er hatte ein freund¬
liches, heiteres Gesicht und große lebhafte Augen. In seiner Lebens-
weise war er ungemein einfach. Niemand konnte mäßiger sein in Speise
und Trank. Seine Kleidung unterschied sich kaum von der Tracht des
gemeinen Mannes; nur bei feierlichen Gelegenheiten legte er fernen
kaiserlichen Schmuck an, und auch bei seinen Hofleuten war ihm jede
Kleiderpracht zuwider. Seinen Körper stählte er durch Jagen, Reiten,
Zechten und Schwimmen. Durch diese Lebensweise erhielt er sich bis in
sein hohes Hit er frisch und gesund. Erst vier Jahre vor seinem Ende fing
seine Gesundheit an zu wanken, Hm 28. Januar 814 beschloß Karl sein
tatenreiches Leben nach kurzer Krankheit und wurde noch an demselben
Tage in der Marienkirche zu Hachen beigesetzt.
§ 3. Heinrich I. Um den Wirren zu steuern, die bald nach Karls des Großen
Tode über das in drei Teile aufgelöste Zrankenreich gekommen waren,
wählten die Großen des Ostreichs Herzog Konrad von Franken zum
König. Hb er am Ende eines sorgenreichen Lebens erkannte dieser, daß alle
seine Hrbeit um des Reiches Wohl vergebens gewesen war. Im Vorgefühl
des Todes sprach er zu seinem Bruder die rührenden TD orte: „Ich fühle,
mein Bruder, nicht länger trage ich die Last dieses Lebens; Gott will es
so, ich muß sterben. Was nun aus dem Reiche der Franken werden soll,