Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
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Dienerschaft, mit den Worten auf den Lippen: „Ich weiß, daß mein (Er¬
löser lebt."
§ 9. Friedrich der Große. Der brandenburgische Staat hatte unter
dem Großen Kurfürsten so an Ansehen und Macht gewonnen, daß sich
sein Herrscher wohl mit manchem König messen tonnte; deshalb setzte
sich der Sohn des Großen Kurfürsten, Friedrich III., am 18. Januar
in Königsberg die Rönigskrone aufs Haupt und nannte sich
„König in Preußen", weil er hier unabhängiger Herrscher war, während
Brandenburg zum Deutschen Reiche gehörte und in diesem nur der Kaiser
König sein tonnte. Der Sohn des ersten preußischen Königs war Friedrich
Wilhelm I., der „Soldatenkönig", dem Preußen sein schlagfertiges Heer
und seinen tüchtigen Beamtenftand verdankt, die Säulen, auf denen noch
heute Preußens Größe ruht. Er hinterließ die Krone seinem 28 jährigen
Sohne Friedrich II., dem Sie Geschichte den Beinamen des Großen ver¬
liehen hat.
Den ersten Unterricht erteilte dem jungen Friedrich der FranzoseDuhan öe51^1^11-
Jandun, der sehr gegen den Willen des Daters in dem Prinzen Liebe zur
Wissenschaft und vornehmlich zur französischen Literatur weckte. Friedrich
war seinem Lehrer dafür allezeit dankbar. Als er aus dem zweiten Schlesi-
schen Kriege, ein sieggekrönter Held, nach Berlin zurückkehrte, besuchte er
noch am Abend desselben Tages feinen sterbenden Lehrer, um von ihm für
immer Abschied zu nehmen. Die Oberaufsicht über die Erziehung lag
in den Händen zweier Offiziere, die sich nach der Dorfchrift des Königs
zu richten hatten, der aus dem Prinzen einen guten dhristen, einen guten
Soldaten und einen guten Landesvater machen wollte. Aber in den engen
Geleisen dieser Erziehungsweise mochte sich der Prinz nicht bewegen;
gegen alles, was dem Dater am herzen lag, zeigte der Sohn Abneigung,
ja Widerwillen. So nannte er die preußische Uniform, des Königs Ehren¬
kleid und tägliches Gewand, seinen Sterbekittel. Die Kluft zwischen Dater
und Sohn wurde größer und tiefer, und die Erbitterung des Königs wuchs,
als die Königin, zu der sich Friedrich mehr als zum Dater hingezogen fühlte,
immer wieder auf den Plan einer Heirat des Kronprinzen mit einer eng¬
lischen Prinzessin zurückkam. Schon ließ sich Friedrich Wilhelm in seinem
Groll zu Schlägen und Mißhandlungen hinreißen, und in haltlosem Jäh¬
zorn entschlüpfte ihm einst das arge Wort: „Wäre er von seinem Dater
so behandelt worden, so hätte er sich totgeschossen; aber Friedrich achte
nichts, er lasse sich alles gefallen."
Da faßte der Prinz den Entschluß, nach England zu entfliehen. Bei einer
Keife, die et mit dem Dater nach Süddeutschland machte, sollte die Flucht mit
Hilfe der Leutnants von Katte in Berlin und von Keith in Wesel ins Werk
gesetzt werden. Aber die Sache wurde verraten, der Prinz festgenommen und
auf Befehl des Königs nach Wefel gebracht, hier bei einem ersten Derhor
1701