Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
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den Österreichern und Russen, Berlin durch einen Streifzug zu über-
rumpeln. Schlimm hausten die Kosaken und österreichischen Husaren in
den königlichen Schlössern zu Lharlottenburg und Schönhausen. Aber nur
wenige Tage dauerte der Besuch der unliebsamen Gäste. Der Huf:
„Der König kommt!" verscheuchte mit Windeseile die Scharen der Feinde.
Friedrich wandte sich hierauf nach Sachsen, das ganz in den Händen der
Österreicher war? er war entschlossen, „alles zu wagen, um zu siegen
oder ein Ende mit Ruhm zu finden." Die Österreicher lagerten in der
Nähe von Torgau auf den Süptitzer hohen, die für uneinnehmbar galten.
Der König plante einen gleichzeitigen Angriff in der Front und im Rücken.
Er selbst griff die Österreicher in der Front an, hatte aber einen sehr schweren
Stand, da der General Zieten seinen Angriff in ihrem Rücken zu spät
ansetzte. Friedrich kam dadurch in die äußerste Gefahr. Drei Pferde
wurden ihm unterm Leibe erschossen; eine Kartätschenkugel traf feine
Brust. Lautlos sank er vom Pferde. Entsetzt rissen ihm zwei Adjutanten
die Uniform auf; doch zum Glück hatte die Kugel den König nicht ge¬
fährlich verletzt: der Pelz und das Samtfutter des Rockes hatten die Wirkung
bedeutend abgeschwächt. Hls der König wieder zur Besinnung kam, sagte
et zu seiner Umgebung: „Es ist nichts!" bestieg sein Pferd und übernahm
wieder den Oberbefehl. Hls endlich vom Norden her Kanonendonner
erscholl, wußte Friedrich, daß Zieten in den Kampf eingegriffen hatte,
und gab deshalb das Zeichen zu erneutem Angriff. Darauf war Friedrichs
Schlachtplan gebaut. Don zwei Seiten wurde jetzt der Feind gefaßt, und
oben auf den höhen von Süptitz reichten sich im Dunkel der Nacht die
beiden preußischen Heeresabteilungen die Hände.
Wieder war Friedrich Sieger geblieben, aber seine Lage war noch ver- 5ricbe
zweifelt, zumal ihn England, fein einziger Bundesgenosse, im Stich ließ.
Da trat unvermutet eine Wendung ein: Friedrichs unversöhnliche Gegnerin,
die Kaiserin Elisabeth von Rußland, starb zu Beginn des Jahres 1762,
und das österreichisch-russische Bündnis war damit gelöst. Maria Theresia,
bald auch von den anderen Mächten im Stich gelassen, sah sich zum Einlenken
genötigt. Huf dem sächsischen Jagdschloß Hubertusburg wurde der
Friede im Jahre 1763 unterzeichnet: Friedrich blieb im Besitz von Schlesien.
Lauter Jubel ging durch das preußische Land, der König aber wich, als er
in seine Hauptstadt zurückkehrte, allen Freudenbezeugungen der Berliner aus
und fuhr auf einem Umwege zum Schlöffe. Wenige Tage nach feinem Einzug
ließ er sich in der Kapelle zu Eharlottenburg von einem Sänger¬
chor das Tedeum vorsingen. Hls die Dankesroorte zum Himmel empor-
schallten, senkte er, der ganz allein den Klängen lauschte, sein Haupt in
die Hand und weinte.
„Daß ich lebe, ist nicht notwendig, wohl aber, daß ich tätig bin." So
hatte einst der König in einem Briefe geschrieben, und so handelte er sein den Staat
Leben lang. Rastlos tätig war er auch im Frieden für die Wohlfahrt feines