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17. Eine chinefifche ßochzeit.* 
Ein gar merkwürdiges Volk in seinen gesellschaftlichen Sitten sind 
die Chinesen. Bei allen ihren kirchlichen Handlungen, sei es nun ein 
Erntefest, eine Hochzeit, ein Neujahrs- oder Frühlingsfest, wird viel 
Aussehen gemacht. Fast immer wählen sie zu diesen Festlichkeiten 
eine bestimmte Jahreszeit; denn von dieser hängt es ab, so herrscht 
nämlich bei ihnen der Glaube, ob sie auf einen günstigen oder un- 
günstigen Ausfall derselben zu rechnen haben. So z. B. werden fast 
alle Hochzeiten nur im Beginne des Jahres, wenn die Pfirsichblüte 
ihren Kelch öffnet, gehalten. — Die Hochzeitsgebräuche in den 
vielen Städten und Dörfern des chinesischen Kaisertums sind sehr ver- 
schieden. Während meines Ausenthaltes in Shanghai, schreibt der 
Missionar Jenkins, fand ich Gelegenheit, über die dortigen Ge- 
brauche genaue Erkundigung einzuziehen, und teile das Ergebnis der- 
selben in nachstehendem mit. 
Wer hier Heiraten will, schickt einen Unterhändler zn den Eltern, 
deren Tochter er haben möchte, und läßt fragen, ob sie ihm dieselbe 
geben wollen. Bejahen sie diese Frage, so forscht der Unterhändler 
später nach dem Alter des Mädchens. Dann wird ein Wahrsager 
befragt, ob die Heirat gut ausfallen wird. Ist die Autwort günstig, 
so schickt der junge Mann Geschenke an das Mädchen, und dieses 
sendet andere an ihn. Vorher erkundigt er sich auch noch bei einem 
Priester nach dem Schutzgeiste der Familie, der Küche, der Stadt 
und des Stadtviertels, wo das neue Ehepaar wohnen soll. Die 
Zeit bis zum Hochzeitstage ist für die Braut eine rechte Trauerzeit, 
denn sie weiß nicht, wem sie anvertraut worden, und bei dem ganzen 
Geschäft haben die Eltern nur auf Geldgewinn oder auf äußere Ehre 
gesehen. 
Am Hochzeitstage, wozu auch ein Glückstag gewählt wird, ziehen 
die Freunde des Bräutigams nach der Wohnung der Braut, wobei 
Sonnenschirme, Fahnen und Gedächtnistaseln vorangetragen werden, 
ähnlich wie bei dem feierlichen Einzüge eines Mandarinen. Der 
Unterhändler geht voran, ihm folgen zwei Männer mit Lampen auf 
Stangen, ein Mann mit Schwärmern, die er unausgesetzt knallen läßt, 
ein weißer Ziegenbock mit etwas Cochenillenpulver bestreut, eine weiße 
Gans, Schalen mit Geschenken, der Sessel für die Braut, den vier 
Männer tragen, zwei Brautjungfern und des Bräutigams Freunde, die 
alle in Sesseln getragen werden. 
Ist dieser sonderbare Zug vor dem Hause der Braut angekommen, 
so halten dort die Diener die Tür wohl verschlossen und öffnen sie 
erst, nachdem sie ein reichliches Geldgeschenk erhalten haben. Dann 
dankt die Braut ihren Eltern, setzt sich in den Brautsessel, und ihre 
ganze Familie erhebt ein Geschrei, so laut wie bei Leichenbegängnissen. 
* Nach B. Jenkins.
	        
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