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Deutsche Geschichte.
Sattle an dem Brustharnisch zu zersplittern. Wem dies gelungen war, der
galt als Sieger. War die eine Lanze zerbrochen, so griff man zu einer
zweiten, welche der Knappe bereit hielt; so konnte mancher an einem Tage
vierzig bis fünfzig Lanzen brechen. Auf die Einzelkämpfe folgte der Angriff
der zwei Haufen. Da krachten die Lanzen, manch einer stürzte zu Boden,
oft schwer verwundet; da sausten die Streitäxte auf das Haupt des Gegners,
da flogen die Schwerter aus der Scheide, und jeder versuchte sein Pferd so
geschickt zu wenden, daß er des Feindes Hiebe vermied und selbst kräftige
Schläge austeilte. War das Turnier, das oft Tage und Wochen dauerte,
beendet, so erhielt der Ritter, der sich am meisten ausgezeichnet hatte,
den Turnierdank. Sein Name wurde unter lautem Schall der Pauken
und Trompeten ausgerufen, und er erschien kniend mit gelöstem Helm vor
der edelsten Dame, die ihm eine goldene Kette, einen prächtigen Helm, einen
Ring oder sonst ein Kleinod übergab. Oft fügte sie als besondere Gunst-
bezeugung ein seidenes Tuch oder ein Band hinzu, das er an seinem Helm
befestigte und ihr zu Ehren immer trug. Darauf zogen sich die Ritter
glänzende Feierkleider an, ein großes Gastmahl und ein Ball, den der Sieger
als erster Tänzer eröffnete, beschloß das Turnier.
™ _ Doch nicht immer war das Leben des Ritters im Mittelalter so fteuden-
Ritterburg, reich; im Gegenteil, der Aufenthalt auf der Burg war meist sehr eintönig,
besonders in den schlimmen Wintermonaten, wo Weg und Steg verschneit
war, und oft wochenlang jeglicher Verkehr aufhörte. Da lag dann die Ritter-
bürg einsam auf einer Anhöhe, von wo ein guter Ausblick ins weite Land
war, oder mitten in der Ebene, aber wohlgeschützt gegen jeden Überfall durch
einen tiefen, wassergefüllten Graben. Ein schmaler Burgweg führte den
kleinen Berg hinan, über die Zugbrücke ging es in den Vorhof, den stark
befestigten Zwinger, welcher den ersten Ansturm der Feinde aushalten
sollte. Hier übten sich die Ritter, Knappen und Knechte mit ihren Waffen.
Dieser Zwinger war von der eigentlichen Burg durch die innere Burg-
mauer abgeschlossen, durch die das Burgtor zu den Hauptgebäuden
führte. Im inneren Hof, Burghof genannt, erhob sich der gewaltige Berg-
f r i e d, ein hoher, starker Turm, die letzte Zuflucht für die Belagerten, zu
dessen oberen Stockwerken nur eine Leiter führte, die leicht weggenommen
werden konnte; unter ihm war das Burg verließ, der Kerker, in dem
die unglücklichen Gefangenen bei Wasser und Brot schmachten mußten. Die
eigentliche Ritterwohnung war der P a l a s mit dem großen Rittersaal und
den K e m e n a t e n, d. h. den Frauengemächern. Neben ihm stand die Burg-
kapelle. Wirtschaftsgebäude liefen an der Mauer entlang, in einer Ecke stand
der Ziehbrunnen.