Die Lurleijungfrau.
alten Zeiten liess sich manchmal um die Abend-
dämmerung und beim Mondenschein auf der
Lurlei eine Jungfrau sehen, die sang mit so anmutiger
Stimme, dass alle, die es hörten, davon bezaubert wurden.
Viele, die vorüberschifften, gingen am Felsenriff oder
im Strudel zu Grunde, weil sie nicht mehr auf den
Lauf ihres Fahrzeuges achteten, sondern durch die
himmlischen Töne der wunderbaren Jungfrau gleichsam
aus dem irdischen Leben hinweggelockt wurden. Niemand
hatte die Jungfrau in der Nähe geschaut als einige
junge Fischer; zu diesen gesellte sie sich bisweilen
im letzten Abendrot und zeigte ihnen die Stellen, wo>
sie ihre Netze auswerfen sollten, und jedesmal, wenn
sie dem Rate der Jungfrau folgten, thaten sie einen
reichlichen Fang. Die Jünglinge erzählten nun, wohin
sie kamen, von der Huld und Schönheit der Unbekannten,,
imd die Geschichte verbreitete sich im ganzen Lande.
Ein Sohn des Pfalzgrafen, der damals in der'
Gegend sein Hoflager hatte, hörte die wundervolle
Mär, und es ergriff ihn eine innige Zuneigung zu der
Jungfrau. Unter dem Yorwande, auf die Jagd zu
gehen, nahm er den Weg nach Oberwesel, setzte sich
dort in einen Nachen und liess sich stromabwärts fahren.
Die Sonne -war eben untergegangen, und die ersten
Sterne traten am Himmel hervor, als sich das Fahrzeug
der Lurlei näherte. „Seht ihr sie dort, die verwünschte-