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schweren Geldstrafen. Vergebens wiesen die Gesandten der evangelischen
Fürsten den Kaiser ans die Bestimmnngen des Westfälischen Friedens hin,
nach denen die Bedrückungen, wie sie die Unglücklichen erfuhren, gegen alles
Recht waren. Da nahm sich der König von Preußen, Friedrich Wilhelm I.,
seiner bedrängten Glaubensbrüder an. Er erklärte, daß er gegen die
Katholiken in seinem Lande ebenso verfahren würde wie der Erzbischof
gegen die Evangelischen, sagte auch den Abgeordneten der Salzburger
weiteren Schutz und, wenn sie vertrieben würden, Aufnahme in seinem
Reiche zu. Für den Erzbischof wurde durch die Stellung der evangelischen
Fürsten und durch die feste Haltung seiner lutherischen Unterthanen die
Gefahr von Tag zu Tag größer. Da ließ er am 31. Oktober 1731 den
Befehl ausgehen, daß alle nicht angesessenen Einwohner evangelischen Be¬
kenntnisses, Tagelöhner, Arbeiter und Dienstboten, welche das zwölfte Jahr
erreicht hatten, binnen acht Tagen, die Gutsbesitzer aber binnen zwei bis
drei Monaten das Land verlassen, die aber nach dieser Zeit Zurückbleiben¬
den ergriffen und hart bestraft werden sollten. Am 24. November wurden
zuerst die Nichtangesessenen wie ein gejagtes Wild aufgescheucht. Zwei
Schwadronen Dragoner trieben die Unglücklichen mit roher Gewalt vor sich
her. Ehe man sie entließ, warf man sie noch einmal in den Kerker und
versuchte, durch die Priester, sie zum Abfall von ihrem Glauben zu be¬
wegen. Im Frühlinge folgten die Güterbesitzer. Die Hirten feierten
noch einmal am 1. Mai auf hoher Alp das Erwachen des Frühlings,
beteten zum letzten Male auf den heimatlichen Höhen und gaben dann den
nach alter Sitte festlich geschmückten Tieren die Freiheit; denn es blieb
niemand ihrer zu hüten. Die Zahl der Ausgewanderten wuchs nach und
nach aus 30 000 au. Sie alle erfuhren die treue Fürsorge ihres Gottes.
Ihr Zug durch Deutschland glich einem Triumphzuge.
Auch durch Gera wanderten in der Zeit vom 16. April bis zum
4. Juli 1732 sieben Züge der Vertriebenen. Am 16. April, dem Tage
nach dem Osterfeste, verbreitete sich plötzlich die Nachricht in der Stadt, daß
gegen Abend über 500 Salzburger ankommen würden. Schon dieses Ge¬
rücht setzte alle in freudige Bewegung, und als die Zeit herankam, in der
man die Auswanderer erwartete, machte sich der größte Teil der Ein¬
wohner auf und ging ihnen durch die Stadtwaldnng hinaus entgegen. Es
begann bereits zu dämmern, als man die sehnlichst Erwarteten ankommen
sah. Der den Zug begleitende preußische Kommissar war bereits ein paar
Stunden früher in der Stadt angelangt. Kaum wurden die Wanderer die
Menschenmenge gewahr, als sie sich im geordneten Zuge paarweise auf¬
stellten und so, die Männer voran, dann die Frauen, zuletzt die Wagen
mit den Kranken und Gebrechlichen, einherzogen. In ergreifender Weise