Full text: Lebensbilder aus der deutschen und preußischen Geschichte, deutsche Sagen

— 97 — 
Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I., küßte noch die bleichen 
Lippen seiner Mutter und ging dann meinend in den Garten. 
Hier pflückte er Rosen und Eichenblätter und wand einen Kranz 
daraus. Diesen legte er aus das Sterbebett seiner Mutter. 
Ihr Leichnam wurde nach Berlin gebracht und in einer 
schönen Grabhalle zu Charlottenburg beigesetzt, und Tausende 
wallen jährlich dahin, um die Grabstätte ihrer geliebten Königin 
zu sehen. Aus einem Sockel ruht, in Marmor nachgebildet, die 
edle Gestalt, als ob sie schliefe. 
§ 45* Napoleons Zug nach Rnszland. 
Im Jahre 1812 unternahm Napoleon mit einem gewaltigen 
Heere einen Zug nach Rußland. Die Rheinbund surften mußten 
Truppen stellen, und auch 20000 Preußen hatten Napoleons 
Fahnen zu folgen. 
Die Russen hatten sich ganz in das Innere des Landes 
zurückgezogen, Kosakenschwärme überfielen beständig die sranzö- 
fischen Truppen, die, des Landes unkundig und des strengen 
Klimas ungewohnt, große Beschwerden litten. Deshalb konnte 
das große Heer auch nur langfam vorwärts kommen. 
In der Nähe von Moskau wurde eine Schlacht geliefert, 
die Napoleon gewann. Die Russen zogen sich zurück, und das 
französische Heer rückte in Moskau ein. Napoleon bezog den 
Kreml, aber in der Nacht, als die Soldaten sich von den vielen 
Anstrengungen erholen wollten, brach an mehreren Stellen zu¬ 
gleich Feuer aus. Jetzt bot Napoleon dem Kaiser den Frieden an, 
aber Alexander lehnte ihn ab. So mußte Napoleon sich zum 
Rückzug entschließen. Das war ein trauriger Weg! Die Kälte 
nahm immer mehr zu, dabei fehlte es an Kleidungsstücken und 
an Nahrungsmitteln. Hungrig und zerlumpt schlichen die Fran- 
zosen daher, immer von den Kosaken bedrängt. Am schlimmsten 
aber war der Übergang über die Beresina. Die Soldaten, 
denen die Russen aus den Fersen waren, drängten im wilden 
Ungestüm über die ausgeschlagenen Brücken. Diese brachen unter 
der Last zusammen, und Tausende fanden ihren Tod in den 
Wellen. Napoleon aber war glücklich an das jenseitige Ufer ge- 
langt und suchte sobald als möglich nach Paris zu kommen. 
Um das Schicksal seines Heeres kümmerte er sich nicht. 
Von 500 000 Mann, die ausgezogen waren, erreichten nur 
30000 die Grenze, und dieser kleine Rest des gewaltigen Heeres 
bildete in seinem Elend einen unsagbar traurigen, erschütternden 
Anblick. 
Aorks Absall. Die 20000 Mann, die Preußen hatte 
stellen müssen, standen unter dem Oberbefehl des Generals Jork 
Rotzbach, Lebensbilder. 2. Aufl. 7
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.