Object: Vom Kurhut bis zur Kaiserkrone

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ich eins der Worte, einen der Blicke meines königlichen Herrn 
hingeben, welche sich damals so tief in mein Herz senkten. 
Der Krieg schien also in der That beendet zu sein, und ich 
gab mich ganz diesem wonnigen Gedanken hin. Jedoch schon am 
nächsten Morgen wurde diese Hoffnung zerstört; wir marschierten 
ab und, wie behauptet wurde, auf Paris los, da die neue fran¬ 
zösische Regierung jeden Friedensvorschlag zurückgewiesen habe. 
Auf allen Wegen und Stegen zogen sich lange Kolonnen hin, 
und fächerartig breiteten sich diese ungeheuren Massen, welche 
mit einer Kunst sondergleichen zu dem für die Franzosen so ver¬ 
hängnisvollen Netze zusammengezogen worden waren, wieder aus¬ 
einander. 
Da ging plötzlich ein geheimnisvolles Summen und Brausen 
von Bataillon zu Bataillon, einer fragte den anderen, keiner 
wußte, was dasselbe zu bedeuten habe. Endlich brachte ein Adju¬ 
tant die Nachricht, daß der gefangene Kaiser Napoleon vorbei¬ 
kommen würde. Tiefe Stille trat ein, keine Freude, kein Jubel 
wurde laut. Preußische Husaren ritten langsam vorauf, dann 
folgte der vierspännige Wagen, in welchem Napoleon saß. In 
unserer Nähe stockte der Zug, der kaiserliche Wagen mußte an¬ 
hatten, und ich konnte den Kaiser genau betrachten, zum ersten- 
nnd letztenmal. Nachdem er unseren Gruß höflich erwidert hatte, 
fah er zun: geöffneten Fenster hinaus, die Leute musternd. Seine 
Gesichtsfarbe war fahl, in die schlaffen Züge hatte die Aufregung 
der letzten Tage tiefe Furchen gezogen, und die Augenlider hingen 
fchwer herab. Ohne ein Wort zu sprechen, rauchte er in schnellen 
Zügen eine Cigarette. Ter Wagen setzte sich in Bewegung, noch¬ 
mals grüßte der Kaiser, dann entschwand er meinem Blicke und 
mit ihm ein Stück Weltgeschichte, das mit gewaltigen: Flügelschlage 
an uns vorübergeranscht war. (Deutsche Romanzeitung.) 
Der Zustand in Paris im Dezember. 
Der ganze Monat Dezember war schrecklich hart zu ertragen. 
Die Entbehrungen wuchsen im Verhältnis zur Abnahme unserer 
Vorräte von Lebensmitteln. Nicht, daß inan sich noch über das 
Brot beunruhigte. Es hatte sich allerdings, ich weiß nicht mehr an 
welchem Tage, ein Schrecken in Montmartre (sprich: Mongmartr) und 
dessen benachbarten Vierteln verbreitet. Die Bevölkerung, die bei 
den Bäckern verschlossene Thüren angetroffen, hatte sich nach den 
anderen Stadtteilen gewandt, um im Handumdrehen alles, was sie 
vou gebackenem Brot erwischen konnte, wegzuraffen, so daß es um 
drei Uhr nachmittags unmöglich gewesen wäre, von Norden zum 
Süden und vom Osten zum Westen anch nur einen Mundvoll
	        
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