27. Die Schweizer Eidgenossen.
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laut auf. Geßler aber ließ den Cell noch nicht ziehen, er fragte ihn,
wozu er den zweiten Pfeil hervorgeholt hätte. Da rief Teil ihm
ingrimmig zu: „Mit diesem Pfeil, Herr Vogt, durchschoß ich Euch,
wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte." Nun ließ ihn Geßler binden
und auf sein Schiff bringen, um ihn mit sich über den See nach der
Burg Küßnacht zu nehmen und einzukerkern. Während der Fahrt aber
erhob sich ein furchtbarer Sturm, und dem kleinen Schiffe drohte ver¬
derben. „Nur Cell kann uns retten!" rief der Fährmann dem Vogte
zu. „So tut ihm die Fesseln ab, daß er das Fahrzeug lenke," sprach
Geßler. Cell faßte das Ruder und trieb das Schiff gegen eine Fels¬
platte, die einige Schritt weit in den See vorspringt. Dort angekommen,
ergriff er rasch seine Rrmbrust, sprang hinaus auf die platte und stieß
mit dem Fuße das Schiff in den See zurück. Dann eilte er nach Küßnacht
zu, um dort an dem Vogte Rache zu nehmen. Rls dieser glücklich ge¬
landet war und durch einen hohlweg, „die hohle Gasse", nach seiner Burg
reiten wollte, nahm Cell ihm durch einen Pfeilschuß das Leben.
5. Die Eidgenossen. Bald darauf befreite sich das Volk auch
von den andern Landvögten. Rn einem festgesetzten Cage drangen
rüstige Männer in die Zwingburgen ein, eroberten sie und jagten die
erschreckten Vögte und ihre Rnhänger über die Grenzen. So wurde die
Freiheit ohne weiteres Blutvergießen zurückgewonnen. Den Eidgenossen
der drei IDaldstätten schlössen sich allmählich auch die übrigen ©rte der
Schweiz an. Rlle weiteren versuche (Österreichs, das Land zu unter-
jochen, mißlangen, heldenkühn traten die Eidgenossen dem Feind ent-
gegen, und ihre Capferkeit, ihre Vaterlandsliebe, ihr Gottvertrauen
erfochten in einer ganzen Reihe von Schlachten die ruhmvollsten Siege.
6. Arnold von Winkelried. Einst stand den Schweizern die
österreichische Ritterschaft in schwerer Rüstung gegenüber, Mann an Mann,
gleich einer Eisenmauer. Da rief ein Eidgenosse, der wackere Rrnold
von Winkelried, den Seinigen zu: „Liebe Brüder, ich will euch
eine Gasse machen; sorgt für mein XDeib und meine Kinder!" Mit
diesen Worten umfaßte er mit beiden Rrmen so viele der feindlichen
Speere, als er konnte, richtete sie auf seine Brust und riß durchbohrt
im Sterben die Feinde mit sich zu Boden. Durch die entstandene Lücke
drangen die Eidgenossen nach; bald mar das stolze Heer der Feinde
zersprengt. So schützte die Schweiz ihre Unabhängigkeit gegen Österreichs
Eroberungsversuche. Rber leider löste sie sich immer mehr vom Deutschen
Reiche und trennte sich endlich als ein selbständiger Freistaat ganz
davon ab.