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allen körperlichen Übungen. „Willst du denn nicht," fragten ihn einst seine
Gespielen, „bei den öffentlichen Wettkämpfen der Griechen mit um den
Preis laufen?" „O ja," versetzte er stolz, „wenn Könige mit mir um die
Wette laufen." Einst wurde seinem Vater ein prachtvolles, aber sehr wildes
Streitroß, Bukephalos genannt, für einen ungewöhnlich hohen Preis ange¬
boten. Die besten Reiter versuchten ihre Kunst an demselben, aber keinen
ließ es aufsitzen. Der König befahl das Tier wieder wegzuführen, da es
ja kein Mensch gebrauchen könne. „Schade um das schöne Tier!" rief
Alexander traurig; „ich bitte, Vater, laß mich doch einmal einen Versuch
machen." Mit stolzer Zuversicht näherte Alexander sich dem Pferde, er-
griff die Zügel und führte es gegen die Sonne. Denn er hatte bemerkt,
daß es, allein von seinem eigenen Schatten erschreckt, sich so unbändig be-
zeigte. Dann streichelte und liebkoste er es und ließ unvermerkt seinen
Mantel fallen. Ein Sprung jetzt, und der kühne Alexander sitzt auf dem
Rücken des Tieres und stiegt bald pfeilschnell mit dem mächtig ausgreifen¬
den Pferde dahin. Philipp und alle Umstehenden zittern für das Leben
des Knaben. Der aber lenkt frohen Mutes bald um, und als er nun das
Roß hin und her tummelt, als sei es das zahmste Tier von der Welt, und
dies dem leisesten Zuge des Zügels folgt, da erstaunen alle. Philipp
weinte vor Freude und umarmte den kecken Reiter mit den Worten: „Mein
Sohn, suche dir ein anderes Königreich, Makedonien ist für dich zn klein!"
Achtzehn Jahre alt focht Alexander mit in der Schlacht bei Chairo-
neia, in welcher die Freiheit und Selbständigkeit Griechenlands für immer
vernichtet wurde; feilte Tapferkeit trug nicht wenig zur Erringung des
Sieges bei. Zwei Jahre darauf erlitt Philipp durch einen Meuchelmörder
den Tod, und Alexander bestieg, zwanzig Jahre alt, den Thron.
Der Anfang der Regierung war für den jungen König recht schwer.
Rings umher standen die unterjochten Völker auf; alle strebten nach der
alten Freiheit. Die Athener spotteten seiner und nannten ihn bald einen
Knaben, bald einen unerfahrenen Jüngling, von dem nichts zu fürchten fei.
„Unter den Mauern Athens werde ich ihnen schon zeigen, daß ich ein
Mann bin," sagte er und brach mit seinem Heere auf. Schon das Gerücht
von seinem Anrücken stellte die Ruhe her, und alle huldigten ihm. Als
aber bald nachher die Nachricht nach Griechenland kam, Alexander sei im
Kampfe gegen die Völker des Nordens umgekommen, herrschte Jubel in ganz.
Griechenland, und die Thebaner töteten sogar den Befehlshaber der makedoni-
scheu Besatzung in der Stadt. Aber wie der Blitz stand Alexander vor
ihren Thoren und zerstörte die Stadt von Grund aus; nur das Haus des
Dichters Pindar verschonte er.
Dies Beispiel großer Strenge verbreitete Schrecken in ganz Griechen¬
land. Alle beugten sich vor dem gewaltigen Sieger und gelobten Gehorsam.