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Tarquinius war nicht die Rede. Die Geiseln benutzten die Erlaubnis
im Tiber zu baden, um unter Führung der beherzten Clölia zur
Heimat zu entkommen; doch soll der Senat die kühnen Schwimme¬
rinnen dem Feinde zurückgesandt haben. Als Porsena darauf in einen
Krieg mit den Latinern verwickelt wurde, verließen seine Scharen das
römische Gebiet.
4. Auf die Hilfe dieser Latiner rechnete Tarquinius. Ein Teil
von ihnen brach das Bündnis mit Rom und bedrohte die Stadt.
Aber das Volk war der Kriege müde, die seine wirtschaftliche Lage
stets verschlimmerten, es zu unbezahlten Leistungen zwangen und seine
Schulden vermehrten. Um es zufriedener zu stimmen, hatte man den
Centuriatkomitien eine gesetzgebende Gewalt übertragen, auch Plebejer
in den Senat aufgenommen. Um ferner der durch die Latiner drohenden
Gefahr entgegenzutreten, wählte man statt der beiden Konsuln einen
Gebieter (Diktator) und übertrug ihm aus ein halbes Jahr die könig¬
liche Gewalt. Der Diktator Aulus Posturnius überwand die Latiner
in der blutigen Schlacht am See Regillus und zwang sie, sich dem
Bunde wieder anzuschließen.
Nach dieser Schlacht starb der hochbetagte Tarquinius zu Curnü
in Kampanien.
7. Die innere Entwickelung des Staates bis }\m Jahre 300.
(Die Volkstribunen.) Wie einst in Athen die Lage des Volks
durch Aufhebung der Königsmacht verschlimmert war, sah sich auch
die Masse der römischen Plebejer dem unbarmherzigen Drucke der
Patrizier ausgesetzt, die namentlich die ihnen Verschuldeten hart be¬
drängten und den Zahlungsunfähigen in die Knechtschaft verkauften.
Der Grund der Verschuldung war der Kriegsdienst, der den unbe¬
mittelten Bürger seinem Gewerbe entfremdete und nichts einbrachte.
Daher verweigerten die Plebejer gelegentlich ihren Dienst, wurden
dann aber von den Patriziern durch allerlei Versprechen zur Erfüllung
ihrer Pflicht bestimmt. Als im Jahre 494 diese Versprechen wie
gewöhnlich nach dem Kriege vergessen waren, entschloß sich das Volk
zur Auswanderung: es zog auf den am Zusammenfluß des Anio und
Tiber gelegenen Heiligen Berg und wählte sich Anführer. Dem
besonnenen Menenins Agrippa, den der Senat als Gesandten
hinansfchickte, gelang es, die erregten Plebejer zur Rückkehr nach Rom
zu veranlassen. Nach der Sage erzählte er ihnen die Fabel vom
Magen, den die anderen Glieder verklagten, weil er alle Nahrung
allein aufnähme, und der ihnen klar machte, daß alle ihre Kraft nur