Full text: Geschichtliche Erzählungen für die Unterklassen sächsischer Realschulen und verwandter Lehranstalten (Vorstufe)

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Dem Heere wurden General von Scharnhorst und Oberst von 
Gneisenan neue Lehrmeister. Von jetzt ab mußte jeder Preuße im Heere 
dienen, und jeder konnte Offizier werden, der tüchtige Kenntnisse besaß 
und im Kriege sich als besonders tapfer und umsichtig erwies. 
So erbtickte die Königin zu ihrer Freude, daß es im Vaterlande 
wieder vorwärts ging; doch die Befreiung sollte sie nicht erleben. 
Als sie im Sommer 1810 zum Besuche ihres Vaters auf dem Tod der 
Schlosse Hohenzieritz in Mecklenburg weilte, erkraukte sie und starb nach ®onl9tni 
einigen Tagen. 
Zu Charlottenburg im Mausoleum ruht die edle Dulderin. 
Der tiefgebeugte Gatte ließ über ihrer Gruft ein herrliches Marmorbild 
errichten, das sie schlafend darstellt. 
Lange trauerte das Volk um seine geliebte Fürstin; „der Stolz der 
Weiber ist von der Erde geschieden; Gott im Himmel, sie muß für uns 
zu gut gewesen sein", klagte der alte General Blücher. 
* 
Im Sommer 1812 zog Napoleon aus, um den Kaiser Alexander Napoleon in 
von Rußland zu unterwerfen. Er gebot über ein Heer, wie die Welt wohl Rußland, 
noch keins gesehen hatte. Mehrere Wochen dauerte der Einmarsch der 
„Großen Armee" ins feindliche Land; auch viele Tausende preußischer 
und sächsischer Soldaten mußten dem Gewaltigen folgen. 
Durch die weite russische Ebene ging der Marsch. In zwei blutigen 
Schlachten wurden die Russen überwunden, endlich hielt der Sieger 
seinen Einzug in der großen Stadt Moskau. Nach längrer Zeit kam 
die Nachricht aus dem Osten: „Die Russen haben Moskau angezündet, 
und Napoleon ist auf dem Rückzüge." Einige Wochen später ging das 
Gerücht: „Viele Tausende französischer Soldaten sind in der furchtbaren 
Winterkälte umgekommen." Von Schlesien her kam die Kunde, man habe 
den Kaiser allein auf einem Schlitten in größter Eile heimwärts reisen 
sehen. Um Weihnachten verkündete eine Pariser Zeitung, der Kaiser sei 
ohne Armee, aber bei bester Gesundheit in seiner Hauptstadt angelangt. 
Und in den ersten Tagen des neuen Jahres da sah man von der 
russischen Grenze her kleine Abteilungen frierender und zerlumpter Ge- 
stalten heranwanken. Ein Helm, eine Bärenmütze, ein zerrissener Waffen- 
rock ließ sie noch als französische Soldaten erkennen; sonst waren sie in 
Weiberröcke, Decken und Lumpen gehüllt, hatten die Füße mit Stroh 
umwickelt und führten längst keine Waffen mehr. 
Das waren die Überreste der stolzen „Großen Armee".
	        
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