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entschied den Sieg. Da umarmte König Wilhelm seinen tapfern Sohn und
überreichte ihm den Orden pour le märite. Die höchsten Ehren erwarb sich der
Kronprinz im Kriege 1870. Er gewann die Schlachten bei Weißenburg und
Wörth, kämpfte ruhmreich bei Sedau und beteiligte sich an der Einschließung
von Paris. Sein Vater verlieh ihm dafür die höchste militärische Würde
und ernannte ihn zum General-Feldmarschall. Bei den Kriegern aber und
beim ganzen Volke hatte er sich durch seine Freundlichkeit und Herablassung
beliebt gemacht. Er hatte für jeden ein freundliches Wort, tröstete die Ver¬
wundeten, und scheute sich nicht, einen gemeinen Soldaten um eine Pfeife Tabak
zu bitten. Alle freuten sich, unter ihm zu dienen,und das ganze Volk nannte
ihn mit Stolz und Liebe „unfern Fritz" und baute große Hoffnungen auf ihn.
Krankheit und Tod. — Kurz vor dem Tode seines Vaters wurde
Friedrich Wilhelm von einer tückischen Krankheit befallen. Ein Halsleiden
ergriff ihn, gegen das die berühmtesten Ärzte vergebens ihre Kunst ver-
suchten. Er begab sich nach Italien, um hier im milden Klima des
Südens Heilung zu suchen. Da traf ihn die Nachricht von dem Tode
seines Vaters. Sofort eilte er nach Berlin, um die Regierung anzutreten
unter dem Namen Friedrich III. Allein er regierte nur 99 Tage, da er-
löste der Tod. ihn von seinen Leiden. In den letzten Tagen seines Lebens
konnte er schon nicht mehr sprechen. Was er sagen wollte, mußte er auf¬
schreiben. So schrieb er seinem ältesten Sohne auf einen Zettel: „Lerne
leiden, ohne zu klagen." Am 15. Juni 1888 starb er zum großen Schmerz
der Seinigen und des ganzen deutschen Volkes. Zu Potsdam wurde er
beigesetzt.
4L Kaiser Wilhelm II.
Kaiser Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 geboren. Den ersten
Unterricht erhielt er mit seinem Bruder Heinrich im elterlichen Schlosse
von tüchtigen Hauslehrern. Nach seiner Konfirmation kam er auf das
Gymnasium zu Kassel. Hier zeichnete er sich durch Fleiß und gutes Be-
tragen gegen Lehrer und Mitschüler aus. Bei seinem Abgange erhielt er
eine der drei Denkmünzen, die alle Jahre an die würdigsten Schüler der
Anstalt verteilt wurden. Nachdem er das Gymnasium verlassen hatte,
wurde er von seinem kaiserlichen Großvater in das Heer eingereiht mit
den Worten: „Nun gehe, tue deine Pflicht, wie man sie dich lehren wird,
Gott sei mit dir!" Später studierte er noch Geschichte und Staatswissen-
schasten auf der Universität Bonn. Im Jahre 1881 vermählte sich Prinz
Wilhelm mit der Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-
Sonderburg-Augustenburg. Die glückliche Ehe wurde mit sechs Prinzen und
einer Prinzessin gesegnet. Sie heißen: Kronprinz Wilhelm, geboren 6. Mai 1882,
Eitel Friedrich, Adalbert, August Wilhelm, Oskar, Joachim und Charlotte.