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Frau, die gestern mit ihm geredet hatte, war ihre Schwiegertochter, und das
Kind war ihr Enkel. Und als der General seine Mutter erkannte und seiner
Gemahlin sagte: „Das ist sie", da küßten und umarmten sie sich, und die Mut¬
terliebe und die Kindesliebe, und die Hoheit und die Demuth schwammen in
einander und gossen sich in Thränen aus, und die gute Mttter blieb lange in
ungewöhnlicher Rührung, fast weniger darüber, daß sie heute die Ihrigen fand,
als darüber, daß sie sie gestern schon gesehen hatte. — Als der Wirth zurück¬
kam, sagte er, das Geld regne zwar nirgends durch den Kamin herab; aber
nicht 200 Franken nähme er darum, daß er nicht zugesehen hätte, wie die gute
Mutter ihren Dohn erkannte und sein Glück sah.
Elternsegea ist Gottes Segen.
40. Eia Ffiedhofsbesuch.
Beim Todtengräber pocht es an:
„Mach auf, mach auf, du greiser Mann!
Thu auf die Thür und nimm den Stab,
musst zeigen mir ein theures Grab!“ —
Ein Fremder spricht’s mit strupp’gem Bart,
verbrannt und rauh nach Kriegerart.
„„Wie heisst der Theure, der euch starb,
und sic!) ein Pfühl bei mir erwarb?““
„Die Mutter ist es; kennt ihr nicht
der Martha Sohn mehr am Gesicht?“
„„Hilf Gott, wie gross, wie braungebrannt!
Hätt’ nun und nimmer euch gekannt. —
Doch kommt und seht, hier ist der Ort,
nach dem gefragt mich euer Wort.
Hier wohnt, verhüllt von Erd’ und Stein,
nun euer todtes Mütterlein.““
Da steht der Krieger lang und schweigt,
das Haupt hinab zur Brust geneigt.
Er steht und starrt zum theuren Grab
mit thränenfeuchtem Blick hinab.
Dann schüttelt er sein Haupt und spricht:
„Ihr irrt, hier wohnt die Todte nicht.
Wie schloss’ ein Raum, so eng und klein,
die Liebe einer Mutter ein?“ —
41. Königliche Rinderzucht.
Der kleine Prinz von Wales (sprich: Wähls), der älteste
Sohn der mächtigen Königin Viktoria von England, (er ist am
9. November 1841 geboren) stand eines Tages in seinem Zimmer
des königlichen Landsitzes am Fenster, dessen Scheiben bis hinunter
ans den Fußboden reichten. Er sollte seine Lektion auswendig