Full text: Erzählungen aus der Geschichte

dem freudigsten Muthe, und selbst die Fraueu waren von so 
kriegerischem Geiste beseelt, daß sie öfters schon wankende Kampfe 
wieder zum Siege lenkten. Es gab aber bei den alten Deutschen 
zwei Arten des Krieges. Entweder zog der Heerbann aus, oder 
ein Gefolge. Der Heerbann war ein allgemeines Aufgebot, jeber 
waffenfähige Stammgenosse war dazu verpflichtet, die Mitglieder 
jedes Geschlechtes fochten zusammen. Wenn es galt sich neue 
Wohnsitze zu suchen, oder einen eindringenden Feind zuruckzuschlagen, 
so zog der Heerbann aus; zur Heerführung wurde von der ge- 
fammten Volksversammlung nach der Tapferkeit ein Herzog ge- 
wählt. Das Gefolge war eine Waffengenossenschaft, welche durch 
kriegslustige Jünglinge gebildet wurde. Es sammelte sich eme 
größere Anzahl um einen angesehenen Führer zu kriegerischen 
Thaten, theils um einem kriegführenden Gaue beizustehen, theüs 
um selbst Eroberungen und Beute zu machen. Für den Führer 
war es Schande, an Tapserkeit übertroffen zu werden, für das 
Gefolge, an Tapferkeit es dem Führer nicht gleich zu thun; der 
größte Schimpf aber war es, den Führer überlebend aus der v 
Schlacht heimgekommen zu sein. Vor der Schlacht sangen dre 
Heerschaaren furchtbar tönende Lieder, in welchen Großthaten der 
Vorsahren verherrlicht wurdeu, und schlugen im Tafte^ dazu ihre 
Schilde zusammen; immer wilder wurde der Gesang während des 
Anmarsches gegen den Feind und endete beim Angriff in ein 
fürchterliches Gebrüll. Aus dem Getöne des Schlachtgesanges 
ahnte der Führer einen guten oben schlechten Ausgang des Kampfes. 
Ein besondrer Vorzug im Charakter ber alten Deutschen war, 
baß sie bas einmal gegebene Wort unverbrüchlich hielten, unb 
deutsche Reblichkeit unb Treue waren sprüchwörtlich geworben. Die 
Gastfrennbfchaft würbe über Alles geehrt; einen Fremben, wer er 
auch sein mochte, von seinem Hause zurückzuweisen, wäre bie größte 
Schanbe gewesen. War ber Vorrath aufgezehrt, so würbe ber, 
welcher eben ber Wirth gewesen war, ber Wegweiser seines Gast- 
sreunbes unb geleitete ihn in bas nächste Haus, unb beim Ab- 
schiebe gab unb forberte man frei und offen Gastgeschenke. _ 
Die alten Deutschen liebten gemeinsame Gelage, nnb bei biesen 
beriethen sie oft wichtige Angelegenheiten. Oft aber _ auch über¬ 
ließen sie sich nur bem Vergnügen, unb ganze Tage bei fröhlichem 
Trinken zuzubringen galt ihnen nicht als Schanbe. Das Würfel- 
spiel trieben sie nüchtern als ein ernstes Geschäft unb so leiden- 
schaftlich, baß sie, wenn Alles verloren war, aus beu letzten Wurf 
ihre eigene Freiheit setzten. Verloren sie, so überlieferten ste stch 
willig als Sklaven bem Gewinnenben unb ließen sich als Knechte 
verkaufen. So stanbhast hielten sie ihr Wort, selbst in einer 
schlechten Sache.
	        
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