14
Im 21. Jahre wurde der Knappe unter großer Feierlichkeit in den Ritter¬
stand aufgenommen. In der Kirche wurde ihm die Waffenrüstung angelegt:
Panzerhemd, Harnisch, Armschienen und die goldenen Sporen. Hierauf mußte
er das Gelöbnis ablegen, die Kirche und ihre Diener zu ehren, die Ungläubigen
zu bekämpfen, die Witwen und Waisen zu schützen und seine Ehre unbefleckt
zu erhalten. Dann erhielt er den Ritterschlag. Festlichkeiten mit Turnier,
Bankett und Tanz beschlossen die Feier. Die ritterlichen Übungen beim
Turnier bestanden im Lanzenstechen und im Schwertkampf zu Fuß oder zu
Roß. Der Sieger erhielt aus der Hand einer schönen Frau den Preis:
Helm, Schwert, goldene Kette oder goldenen Ring. Die glanzvollsten
Turniere wurden unter den stanfischen Kaisern abgehalten.
Um sich von andern Leuten abzusondern und sich vor Feinden zu
schützen, bauten die Ritter ihre Wohnungen auf unzugänglichen Höhen, seltener
in der Ebene. Zu einer Ritterburg gelangte man auf einem schmalen Pfad
und überschritt dann auf einer Zugbrücke den tiefen Burggraben, der die
Ringmauer mit den Türmen umschloß. Das Eingangstor lag gewöhnlich
zwischen zwei Türmen. Der höchste Teil der Burg hieß der „Bergfried", ein
hoher Turm mit meterdicken Mauern. Er war der letzte Zufluchtsort, wenn
die Burg von Feinden erstürmt wurde. Oben auf dem Turme hatte der
Wächter seinen Platz, „zum Schauen geboren, zum Sehen bestellt". Unten
war ein kellerartiges Gewölbe, das Burgverlies, in das die Gefangenen
gebracht wurden. Der schmale Eingang zum Turme lag einige Meter über
der Erde und war nur durch eine Leiter zugänglich. Nicht weit vom Berg¬
fried stand das Wohnhaus, in dessen Erdgeschoß sich die Halle befand, mit
Waffen, Siegeszeichen und Ahnenbildern ausgeschmückt; über der Halle lagen
die Frauengemächer.
Aus den Burgen herrschte ein lebensfrohes Treiben. War der Ritter
nicht im Krieg, so beschäftigte er sich mit Waffenübungen, ging aus die Jagd oder
zog mit seinen Knappen auf Abenteuer aus. Sonst wurde mit ritterlichen Spielen,
denen die Frauen zusahen, der Tag verbracht; dann wurde gesungen und getanzt,
wobei ein Spielmann die Geige strich, und zum Schluß wurden am Feuer des
Kamins Sagen erzählt. In den Frauengemächern verfertigte die Burgfrau in
Gemeinschaft mit den Töchtern die Kleidung, die besonders zur Zeit der Hohenstaufen
sehr zierlich und prunkvoll war. So angenehm das Leben im Sommer auf den
luftigen, sonnigen Höhen sich gestaltete, so traurig und einsam war's im Winter,
wenn kalte Stürme durch das Land tobten und die schmalen Pfade vom Schnee
verschüttet waren. Sehnsuchtsvoll warteten die Burgbewohner dann auf das Nahen
des Frühlings, der den „fahrenden Sänger" brachte, durch den sie Kunde erhielten,
wie es in der Welt draußen aussah. Die Blütezeit des Rittertums fällt in die
Zeit der Hohenstaufen und der Kreuzzüge; während derselben zeichneten sich die
Ritter durch glänzende Waffentaten aus und pflegten auch die Dichtkunst.
Das Rittertum sank aber schnell von seiner Höhe herab. Fortan wurden die Städte
mit ihrem tätigen, regsamen Bürgertums der Sitz der Kultur und des Fortschritts.