Full text: Erzählungen aus der griechischen und römischen Geschichte

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sollten." Da ward Cyrus neugierig, ein Mehreres zu hören; 
er befahl, den Scheiterhaufen zu löschen und den Krösus zu ihm 
zu bringen. Und Krösus erzählte ihm, wie einst Solon bei ihm 
gewesen sei und ihm die weise Lehre erteilt habe, daß kein 
Mensch sein Glück auf vergängliche Schätze bauen dürfe. Das 
fiel dem Cyrus aufs Herz; denn er bedachte, daß auch er ein 
Mensch sei und die Vergeltung über ihn kommen könne. Er 
schenkte dem Krösus das Leben und behielt ihn als Freund und 
Ratgeber bei sich. 
Krösus aber schickte die Ketten, die er in der Gefangenschaft 
getragen, nach Delphi und beklagte sich bei dem Orakel, daß es 
ihm eine so falsche Weissagung erteilt hätte. Die Priester des 
Orakels aber antworteten: „Was einmal dem Menschen be- 
schieden ist, das können wir nicht hindern. Auch haben wir dich 
nicht betrogen. Wir sagten, wenn du wider die Perser zögest, 
so würdest du ein großes Reich zerstören; wir ließen aber un¬ 
gewiß , ob damit das feindliche Reich gemeint sei oder dein 
eigenes. Du hast dir selbst dein Unglück beizumessen, da du den 
Ausspruch so unvorsichtig nach deinem Wunsche ausgelegt hast." 
Seitdem ertrug Krösus sein Schicksal willig. 
12. Die letzten Kriegszüge des Cyrus. 
1. Die Eroberung von Babylonien. — Nach der 
Besiegung des Krösus trachtete Cyrus darnach, auch das 
babylonische Reich, tms sich vomEuphrat und Tigris bis 
an das Mittelmeer erstreckte und von den Reichen im westlichen 
Asien allein noch unbezwungen war, seiner Herrschaft zu unter- 
werfen. Es wurde dem gewaltigen Kriegsmanne nicht schwer, 
das babylonische Heer in einer Schlacht zu besiegen; aber nun 
schlössen sich die Babylonier in ihre ungeheure Hauptstadt 
Babylon (Babel) ein, deren Mauern unbezwinglich waren. 
Da fiel Cyrus auf eine List. Er zog mit dem größten Teile 
seines Heeres, das Babylon umlagerte, ab und ließ nur seine 
besten Kriegsleute an den beiden Seiten der Stadt zurück, wo 
der Euphrat ein- und ausströmt. Diesen gab er den Befehl, 
wenn sie den Fluß so klein sehen würden, daß man ihn durch- 
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