Full text: Erzählungen aus der deutschen Sage und Geschichte (Vorstufe)

33. Die Reformation. 
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5. Luther vor dem Reichstag zu Worms 1521. Nicht 
lange danach hielt der junge Kaiser Karl V. in der Stadt Worms einen 
Reichstag ab, zu dem fast alle deutschen Fürsten sich einfanden. Ruch 
ein Gesandter des Papstes erschien und forderte Luthers Bestrafung. 
Doch die Versammlung wollte Luther nicht ungehört verurteilen. Der 
Kaiser ließ ihn deshalb nach Worms laden und versprach ihm Sicher« 
heit und Geleit, d. h. er verhieß ihm, daß er ohne Gefahr für Freiheit 
und Leben nach Worms und wieder zurück nach Wittenberg geleitet 
werden solle. Luther wurde von vielen vor dieser Reise gewarnt- aber 
er unternahm sie dennoch. Unter großem Menschenauflauf fuhr er nach 
Worms, und schon am Tage nach seiner Ankunft wurde er vor den 
Reichstag gerufen. Man legte ihm die Schriften vor, die er verfaßt 
hatte, und fragte ihn, ob er sie als die seinigen anerkenne und ob er 
ihren Inhalt widerrufen wolle. Die erste Frage bejahte er; für die 
zweite bat er um Bedenkzeit, weil er bei so wichtigen Dingen vor einer 
unbedachten Antwort sich hüten müsse. Als man am nächsten Tage 
eine kurze Erklärung verlangte, ob er seine Angriffe gegen kirchliche 
Lehren widerrufen wolle oder nicht, erklärte er, er könne nichts wider¬ 
rufen , wenn er nicht „mit Zeugnissen aus der heiligen Schrift über¬ 
wunden werde", und schloß mit den Worten: „Ich kann nicht anders, 
hier stehe ich, Gott helfe mir! Rmen." Man riet nun dem Kaiser, er 
möge Luther gefangen nehmen; doch Karl lehnte dies ab. So konnte 
Luther unter kaiserlichem Schutze von Worms abreisen. Dagegen war 
der Kaiser fest entschlossen, Luthers Lehre auszutilgen und sprach über 
ihn und seine Anhänger die Reichsacht aus; es wurde jedermann ge¬ 
boten , ihm weder Aufnahme noch Hilfe zu gewähren, sondern ihn und 
seine Anhänger zu ergreifen und dem Kaiser zur Bestrafung aus¬ 
zuliefern. 
6. Luther auf der Wartburg. Doch Luther war schon in 
Sicherheit. Sein Kurfürst Friedrich der Weise hatte veranlaßt, daß er 
auf seiner heimfahrt in der Nähe von Eisenach im Abenddunkel durch 
bewaffnete Ritter mit scheinbarer Gewalt aus dem Wagen gerissen und 
auf die Wartburg entführt wurde. Alle Welt meinte, Luther sei tot. 
Aber es ging ihm auf der Wartburg ganz wohl. Er hieß dort Junker 
Jörg, trug einen ritterlichen Waffenrock, ließ sich einen Bart wachsen 
und ging zuweilen mit auf die Jagd, viel lieber aber saß er bei 
seinen Büchern und Schriften, und namentlich begann er dort die Über¬ 
setzung der Bibel in die deutsche Sprache. Doch nach zehn Monaten 
vernahm er, daß unter seinen Anhängern in Wittenberg Schwärmerei 
und Unordnung ausgebrochen sei. Da verließ er die Burg und kehrte 
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