126 Mittlere Geschichte.
sahrer sich ergab (20. Juni). Um keine Zeit zu verlieren, beschlossen die
Fürsten die Fortsetzung des Zuges. Während nun die Kreuzfahrer unter
dem glühenden Himmel und durch die weiten, wasserlosen Hochebenen deS
mittleren Kleinasien's weiter zogen, hatten sie überall mit Roth und Be-
schwerden, sowie mit dem unablässig angreifenden Feind zn kämpfen. Dazu
kam noch, daß zwischen Tankred und Balduin, dem Bruder Gott-
fried's, ein Streit ausbrach, in Folge dessen letzterer das Kreuzheer ver-
ließ, sich mit seinem Heerhaufen gegen den Euphrat wandte und in dem
Edessa. von ihm eroberten Edessa^) das erste christliche Reich im Orient
gründete. — Die Uebrigen, nachdem sie bis Syrien gelangt waren,
Antiochien unternahmen zu Ende des Sommers 1097 die Belagerung von An-
1097. 98. tiochien i). Aber erst nach neunmonatlicher Belagerung fiel diese Vor-
mauer Jerusalems (3. Juni 1098) in die Hände der Christen.
Ein volles Jahr nach dem Falle von Antiochien gelangten endlich die
Kreuzfahrer an das heißersehnte Ziel ihrer Pilgerschaft. Von einer An-
Ankunft vor höhe bei Emmans *) erblickten sie am 6. Juni 1099 im Golde der Abend-
^ei099Cm f°nne ftot$en Kuppeln von Jerusalem. Alle fielen auf die Kniee
und dankten Gott mit Freudenthränen für diese Gnade; alle erduldeten
Mühsale und Entbehrungen waren vergessen.
2. Jerusalem war eine stark befestigte Stadt, in der eine Besatzung
von 40,000 Mann lag, während das Heer der Kreuzfahrer nur noch
20,000 Fußgänger und 1500 Reiter zählte. Dennoch wagten schon am
fünften Tage die christlichen Streiter einen Sturm auf die äußern Mauern.
Mit wildem Muthe erkletterten sie dieselben und würden ohne Zweifel
auch die Hauptmauer erstürmt haben, wenn ihnen nicht alle Werkzeuge,
selbst Sturmleitern, gefehlt hätten. Um sich diese zu verschaffen, zerstreuten
sie sich in der holzarmen Gegend, fanden endlich bei Bethlehem ein
Gehölz und arbeiteten mit dem größten Eifer an den Belagerungswerk-
zeugen. Endlich nach Verlauf von vier Wochen hatte man den Bau von
zwei hölzernen Thürmen vollendet. Sie waren vierseitig, jeder sieben
Ellen höher als die Hauptmauer Jerusalems und zum Fortbringen mit
Rädern versehen. Dieselben sollten zur Zeit der Bestürmung mit auser-
lesenen Streitern besetzt, der Mauer ganz nahe gebracht werden. An jedem
Thurme befand sich eine Fallbrücke, welche, wenn man sie niederließ, zum
Uebergang vom Thurme auf die Stadtmauer diente. Der 14. Juli des
Jahres 1099 ward zum Sturme bestimmt
Mit Löwenkühnheit stürzte sich das Kreuzheer von allen Seiten auf
die Stadt; Wunder der Tapferkeit geschahen überall und namentlich war
Gottfried stets unter den vordersten Kämpfern; aber die Sarazenen ver¬
teidigten die Stadt mit solcher Hartnäckigkeit, daß der Sturm trotz der
unermüdlichsten Ausdauer der Christen dennoch endlich abgeschlagen wurde.
Aber schon am folgenden Tage (15. Juli) erneuerten diese den Sturm
und auch jetzt wetteiferten auf allen Punkten die Angreifenden mit den
den war, setzten durch heimliche Unterhandlungen mit den Einwohnern die Uebergabe
an den griechischen Kaiser Alexius durch.
i) Edessa, Stadt östlich vom obern Euphrat, im nördlichen Mesopotamien.
— Antiochien, Stadt im nördlichen Syrien; einst der hauptsächlichste Aufenthalts-
ort des Apostels Paulus. — Emmans, Flecken nordwestlich von Jerusalem; vergl.
Luc. 24, 13. — Bethlehem, zwei Stunden südlich von Jerusalem.