Die franjssische Revolution. 215
Der Pöbel, aufgeregt besonders von dem Herzoge von Orleans1), wel¬
cher zwar des Königs Vetter, aber, da er selbst nach der Krone strebte, sem
entschiedener Gegner war, beging bereits große Unordnungen, so daß Ludwig
Truppen in Paris einrücken ließ. Dieser Umstand, zugleich mit der Jtachncht
von der Entlassung des Ministers Necker, in dem das Volk seinen Ltebling
ehrte, entflammte die Einwohner von Paris znr höchsten Wuth. Das Volk
erstürmte die B astille 2) und machte die Besatzung nieder (14. Juli 1789). «afMeit-
Bon dieser That an datirt man die französische Revolution.
Die Nationalversammlung hob indessen alle Vorrechte des Adels
und der Geistlichkeit, sowie alle mittelalterlichen Einrichtungen auf, und er-
klärte die Freiheit und Gleichheit aller Bürger Frankreichs (4. Augusts Das
Volk aber durchbrach alle Schranken der Ordnung und übte Mord- und Grauel-
thaten an den ihm verhaßten Personen. Der größte Theil des Hofes und
viele Adelige verließen das Land; nur der König blieb schutzlos zuruck, dem
wüthenden Pöbel preisgegeben. Um ihn ganz in ihre Gewalt zu bekommen,
entwarfen die Freiheitsmänner den Plan, ihn nach Paris zu bringen. Der
Herzog von Orleans und seine Helfershelfer beschenkten den Pöbel mit Geld
und Branntwein und stellten ihm vor, der König sei an der damals entstan-
denen Brodtheuerung schuld. Eine Schaar von Männern und Weibern zog
in wüstem, wildem Zug nach Versailles und zwang den König, sie nach Parts3) ^r,ames.
zu begleiten (6. Oktober 1789.) Dahin folgte bald darauf auch dte Na¬
tionalversammlung.
2. Von dieser Zeit an hatte der König keinen Willen mehr und war
ganz in den Händen der Pariser Volkösührer. Der Nationalversammlung
erging es nicht besser. In dieser bildeten sich allmählich zwei Parteien,
die eine für das Königthum, die andere für die Republik. Unter den Letz¬
tern gab es wieder Gemäßigte und Männer vom Berge, wie man die hef¬
tigsten Republikaner von den erhöhten Sitzen, die sie im Versammlungs¬
saale einnahmen, zu nennen pflegte. In Paris entstanden zahlreiche Klubbs
(Vereine) von Abgeordneten, worin man vorher berieth, was man in der
Nationalversammlung durchsetzen wollte. Die gefährlichsten Wühler waren
die Jakobiner, die ihren Namen davon hatten, daß sie sich in einem
Jakobinerkloster versammelten. Die Jakobiner gingen in ihren Gewaltthä-
tigkeiten immer weiter und suchten den Haß gegen die Person des Königs
und seine Familie zu steigern, so daß derselbe sich schon lange als ein Ge-
fangener betrachten mußte. Da faßte er endlich den Entschluß, sich durch
die Flucht in das Ausland zu befreien. Aber der Versuch mißlang; der Flucht des
Postmeister Drouet in St. Menehould 4) erkannte den König; der Wa-
1) Louis Philipp, Herzog von Orleans, war ein Enkel des Herzogs LouiS
Orleans (ber unter Ludwig bem XV. bie Regentschaft führte), unb ber Vater von
Lubwig Philipp, ber 1830—48 König von Frankreich war.
2) Bastille, ein festes Schloß in Paris, bas als Staatsgefängniß biente.
3) Der König bezog bie seit hunbert Jahren unbewohnten Zimmer ber Tuile-
rien, bed königlichen Schlosses, baS Katharina von Media 1564 auf der Stelle einer
großen Hiegelbrennerei (daher ber Name) begonnen und Lubwig XIV. vollenbet hatte.
Die Nationalversammlung hielt ihre Sitzungen in einer zum Versammlung^
Hause vorgerichteten überbauten Reitbahn im ©arten ber Tuilerien.
4) St. Menehoulb, Stadt im norböstlichen Frankreich (Champagne).