Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte für Lehrer- und Lehrerinnenseminare (Teil 2)

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b. Karls Sorge für Kirche und Volksbildung. Das geistige 
Band, das die Völker des weiten Reiches, Römer und Germanen, 
zusammenhielt, war das Christentum, das Karl auf jede Weise zu 
fördern suchte. Die Bischöfe genossen dieselbe Achtung wie die 
Grafen und wurden mit Grundbesitz belehnt. Den zehnten Teil 
aller Felderträge bestimmte Karl für die Kirche. Die damals schon 
blühenden Klosterschulen zu St. Gallen, Reichenau, Hirschau 
und Fulda, in denen zahlreiche deutsche Jünglinge ausgebildet 
wurden, erfreuten sich der kaiserlichen Fürsorge; neue Schulen 
entstanden zu Paris und Tours. Zur Hebung des Kirchen- 
gesanges erbat sich Karl vom Papste zwei römische Gesanglehrer. 
In Italien war dem Kaiser das Verständnis für die römische 
Kultur aufgegangen, und er war bemüht, antike Bildung nach 
Deutschland zu verpflanzen. Deshalb zog er Gelehrte an seinen 
Hof, und zwar nicht nur aus Italien, sondern auch aus England, wo 
die lateinische Literatur blühte. Der bedeutendste dieser Männer, 
mit denen Karl freundschaftlich verkehrte, war Alkuin, der Vor- 
steher der Klosterschule zu Tours, der durch sein freimütiges Wesen 
großen Einfluß auf den Kaiser gewann. Andere hervorragende 
Gelehrte waren der Langobarde Paulus Diäkonus. der eine 
Geschichte seines Volkes verfaßte, der Grammatiker Petrus von 
Pisa und Einhard, der eine Biographie Karls des Großen schrieb 
und wahrscheinlich auch die kaiserlichen Bauten leitete. 
Für die Söhne seiner Hofbeamten gründete-Karl die Hof- 
schule. Durch sie wollte er den Laien, die später als Beamte 
verwendet werden sollten, eine gelehrte Bildung vermitteln, die 
damals nur von den Geistlichen verlangt wurde. Wie Karl auf 
diese Weise römische Bildung zu verbreiten suchte, so nahm er sich 
auch für die Paläste, die er in Ingelheim, Aachen und Nymwegen 
erbauen ließ, die antiken Bauwerke Italiens zum Muster. Das 
Münster zu Aachen ließ er nach dem Vorbilde von San Vitale 
in Ravenna erbauen. Es ist ein achtseitiger Kuppelbau, der von 
einem ringförmigen Nebenschiff mit darüber befindlichen Galerien 
umgeben wird (Taf. 9). Einzelne Bauglieder, besonders die Säulen, 
ließ Karl antiken Gebäuden Ravennas und Roms entnehmen. 
Diese von Karl dem Großen hervorgerufene erste Renaissance 
(renaissance = Wiedergeburt) drang jedoch über den kaiserlichen 
Hof nicht hinaus und übte auf das deutsche Volk keinen bleibenden 
Einfluß aus. Das zeigt sich besonders im „Heliand", der um 830 
entstand, aber noch ganz von den Anschauungen der altgermanischen 
Heldendichtung durchdrungen ist. 
Trotz seiner Verehrung für die römische Bildung wandte Karl, 
der selbst fertig Lateinisch sprach und Griechisch verstand, auch der 
deutschen Sprache und Poesie seine Aufmerksamkeit zu. Er
	        
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