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bezeichnet waren, rückten die Truppen ins Lager. Zuletzt kan,
unter dem „Troßweibel" der, Troß, und es begann ein geschäftiges
Treiben. Die Zelte wurden aufgeschlagen; es wurde gekocht und
gewaschen. In den Marketenderzelten spielten die Soldaten leiden¬
schaftlich um die Beute. Es kam oft zu wüsten Trinkgelagen und
blutigen Schlägereien, obgleich solche Vergehen mit schweren Strafen,
wie Gassenlanfen oder Verlust eines Gliedes, belegt wurden. Die
Roheit der Sitten war grauenerregend; Flnchen und Gottes¬
lästerungen nahmen überhaud, und der Aberglaube wurde allgemein.
Viele Soldaten trugen „Passauer Zettel", um sich „fest", d. H.
unverwundbar, zu machen, oder verschafften sich „Freikugeln".
(Schiller, Walleusteius Lager.) Die Offiziere gaben durch ihre
Ausschweifungen und ihre Raubsucht den Söldnern das schlechteste
Beispiel. Ihre Gier nach Genuß und Schätzen war unersättlich.
Viele schreckten selbst nicht vor der schlimmsten Gewalttat zurück und
häuften in kurzer Zeit große Schätze an.
Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges.
1. Der allgemeine Zustand Deutschlands am Ende des Krieges.
Der Dreißigjährige Krieg ist das größte Unglück, das Deutschland
getroffen hat. Vor dem Kriege war das Deutsche Reich ein wohl¬
habendes, gut bevölkertes Land; durch den Krieg ging die Einwohner¬
zahl auf ein Drittel zurück, und der frühere Wohlstand wurde
vernichtet. Über 1 600 Städte, 18 000 Dörfer, gegen 2 000 Schlösser
und 1000 Kloster waren zerstört worden. Die Felder lagen
unbebaut; es fehlte an Arbeitskräften, an Vieh und Saatgetreide.
Handel und Gewerbe waren zum Stillstand gekommen. Das deutsche
• Volk brauchte zwei Jahrhunderte, um annähernd den Wohlstand
zu erreichen, der vor dem Dreißigjährigen Kriege geherrscht hatte.
Zu den Verlusten an wirtschaftlichen Gütern kam eine grauenhafte
sittliche Verwilderung. Die niedrigsten Leidenschaften herrschten
fast in allen Schichten der Bevölkerung. Gottesfurcht und frommer
Glanbe hatten bei den Vornehmen der Sterndeuterei, bei dem Volke
dem widersinnigsten Aberglauben Platz gemacht, der sich besonders
Das Lehmannsche Bild: „Lagerleben im Dreißigjährigen Kriege" zeigt
int Hintergründe das große Feldherrnzelt; rechts und links von diesem steht
ein kegelförmiges Offizierzelt. Am Anfange jeder Zeltreihe weht eine Fahne,
bei der ein Söldner mit Muskete, Gabelstock und glimmender Zündschnur
Wache hält. Links im Vordergründe erblicken wir ein Marketenderzelt, vor
dem um eine Trommel spielende und zechende Söldner sitzen. Dieser Gruppe
gegenüber sehen wir Soldatenfrauen beim Waschen. In der Mitte des
Vordergrundes wird ein schwedischer Unterhändler mit verbundenen Augen
zum Feldherrnzelte geführt. Der schmuck gekleidete Offizier gehört dem „Gelben
Regimente" an. Er trägt ein Federbarett, ein gelbes Wams mit Spitzenkragen,
eine lange Schärpe und hohe Reiterstiefel. Hinter ihm reitet ein Kürassier.