Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte für Lehrerseminare (Teil 2)

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Faktoreien (Handelsniederlassungen) einiger deutschen Handelshäuser unter 
den Schuh des Reiches stellte. Deutsche Kanonenboote erschienen an 
den Küsten der deutschen Niederlassungen, und zum Zeicheu der Besitz- 
ergreisung durch das Deutsche Reich wurde die deutsche Flagge gehißt. 
Die auf diese Weise erworbeneu Gebiete sind folgende: 
a. Deutsch-Südwest-Afrika, 
b. Kamerun und Togöland am Golf von Guinea (ginea), 
c. Deuts ch-O st afrika, 
d. Kaiser-Wilhelmslaud auf Neu-Guiuea, der Bismarck- 
archipel, die Marschallinseln uud die Salomouiuselu im 
Stillen Ozean. Die deutschen Kolonien umfassen jetzt ein Gebiet, 
das fast 5mal so groß ist wie das Deutsche Reich und 10 Millionen 
Einwohner zählt, so daß Deutschland unter den acht Kolonial- 
mächten der Erde die dritte Stelle einnimmt. Leider entspricht jedoch 
dem Umfange nicht der Wert des deutschen Kolonialbesitzes; denn die 
wertvollsten überseeischen Gebiete hatten sich die anderen Kolonialmächte 
gesichert, bevor Deutschland mit ihnen in Wettbewerb treten konnte. 
5. Die deutsche Zollpolitik. In der Zollpolitik hielt das neue 
Deutsche Reich, das ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bildet, 
anfänglich au den Grundsätzen des Freihandels fest uud ermäßigte oder 
beseitigte die Schutzzölle aus der Zeit des Zollvereius. Dadurch uahm der 
deutsche Handel einen großen Aufschwung. Als aber Frankreich und 
Österreich-Ungarn das Schutzzollsystem angenommen hatten, das in Rußland 
und in Nordamerika längst bestand, waren die deutschen Erzeugnisse auf 
dem heimischen Markte der schrankenlosen Konkurrenz fremder Waren 
ausgesetzt, während ihnen der ausländische Markt durch die Schutzzölle 
der außerdeutschen Staaten versperrt war. Manche Industrien sowie 
die Land- und Forstwirtschaft erlitten dadurch große Verluste. Dazu 
kam, daß durch den bestehenden Zolltarif eine schwere Schädigung der 
Reichsfinanzen entstand und die Reichsregierung sich jedes Mittels 
beraubt sah, andere Staaten zu günstigen Handelsverträgen zu zwingen. 
Der Reichskanzler ging daher an die Riesenansgabe, das Zoll- und 
Steuerwesen völlig umzugestalten, und gab als Ziel der 
Reform an, „durch Erhöhung der Verbrauchssteuern nicht nur die 
eigenen Bedürfnisse des Reiches zu decken, sondern auch die Eiuzelstaaten 
durch Überweisung eines Teils der Steuererträge in den Stand zu 
setzen, drückende Steuern zu beseitigen oder zu ermäßigen". Im 
Jahre 1879 nahm der Reichstag die Regierungsvorlage über die 
Getreidezölle an, worauf er auch die übrige» landwirtschaftlichen 
uud industriellen Schutzzölle bewilligte. An die Schutzzölle schlössen 
sich die Finanzzölle, die zur Vermehrung der Finanzen einzelne 
Flotte und Kolonialbesitz. Atzler, Qu. u. L. III. 
Hassert, Deutschlands Kolonien. Leipzig 1899.
	        
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