Full text: Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

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Die Zeit der Restauration. 
b. Am 6. August eröffnete Metternich in Karlsbad die erste der vier¬ 
undzwanzig Konferenzen, in denen bis zum 1. September der Inhalt der Karls¬ 
bader Beschlüsse formuliert wurde. 
Die wichtigsten Bestimmungen der Karlsbader Beschlüsse. 
V Um den Fortgang der konstitutionellen Bewegung in Deutschland zu hemmen, 
wurde der Artikel \3 der Bundesakte dahin interpretiert, daß unter „landständischen 
Verfassungen" nicht Repräsentativverfassungen nach fremden Mustern, sondern ständische 
Vertretungen im Sinne des alten Ständewesens zu verstehen seien. 
2. Ilm die nationale Bewegung zu ersticken, sollten die Universitäten unter 
Polizeiaufsicht gestellt werden. Die Bundesregierungen wurden verpflichtet, Professoren 
und Lehrer, die „verderbliche, die Grundlagen der bestehenden Staatsordnung unter- 
grabende Lehren" verbreiteten, zu entfernen. Die Burschenschaften wurden für aufgelöst 
erklärt und alle studentischen Verbindungen verboten. Studenten, die auf Antrag des 
aufsichtsführenden Regierungsvertreters relegiert worden waren, durften bei keiner 
andern deutschen Universität mehr zugelassen werden. 
3. Über die presse wurde von Bundes wegen eine strenge Jensur verhängt. 
Schriften unter zwanzig Bogen durften ohne Genehmigung der Landesbehörden nicht 
gedruckt werden. 
Zur Überwachung der Bundesstaaten wurde eine Lxekutionskommission von 
fünf Mitgliedern eingesetzt, welche die Linzelstaaten nötigenfalls durch militärischen 
Zwang zur Durchführung der Karlsbader Beschlüsse anhalten sollte. 
5. In Mainz sollte zur Verfolgung der Demagogen eine Jentraluntersuchungs- 
kommission tagen, deren Vorsitz Österreich großmütig an Preußen überließ.') 
c. Die Karlsbader Beschlüsse wurden am 16. September dem Frank- 
furter Bundestage als Anträge Österreichs vorgelegt und bereits am 
20. September, ohne daß eine Beratung zugelassen worden wäre, zur Ab- 
stimmung gebracht. Die kleinen Bundesstaaten wagten trotz ihrer Bedenken 
keinen Widerspruch, und so wurde beschlossen, die Annahme der Karlsbader 
Bestimmungen als einstimmig erscheinen zu lassen. 
Anmerkung. Metternich schrieb überglücklich an seine Gemahlin: „Ich habe 
alle Ursache, mit den Ergebnissen zufrieden zu sein; denn was ich gewollt habe, ist er- 
reicht. . . . Sicher hat niemals ein offensichtlicheres Einvernehmen und eine größere 
Fügsamkeit als in unseren Konferenzen bestanden. Wenn der Kaiser daran zweifelt, daß 
er Kaiser von Deutschland ist, so täuscht er sich sehr." 
d. Die Bedeutung der Karlsbader Beschlüsse. 
a. „Für Deutschland. Die Karlsbader Beschlüsse beabsichtigten eine 
Verstärkung der Bundesgewalt gegenüber den Einzelstaaten; sie erweiterten 
die Befugnisse des Deutschen Bundes weit über die Vorschriften der Bundes- 
akte hinaus; sie gestatteten ihm Eingriffe in das Leben der Einzelstaaten, 
welche sich mit dem Wesen eines völkerrechtlichen Staatenbundes nicht mehr 
vertrugen; sie sprachen sogar von einer Felonie deutscher Fürsten gegen den 
Bund, als ob die Souveränität von Napoleons Gnaden bereits vernichtet und 
die Majestät des alten Reiches wiederhergestellt wäre. 
Aber diese unitarische Politik entsprang nicht der nationalen Gesinnung, 
sondern dem Partiknlarismus Österreichs: nur darum sollte der Deutsche Bund 
die Machtbefugnisse einer Staatsgewalt erhalten, damit den Deutschen die Lust, 
„sich in ein Deutschland zu vereinigen", für immer verginge, damit der Seelen- 
fchlummer der Völker Österreichs von der höheren Kultur, den regeren geistigen 
Ausführlicheres über die Karlsbader Konferenzen bei Treitschke a. a. O. II. Bd. 
S. 555 ff.
	        
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