Die innere Entwicklung Preußens nach den Freiheitskriegen. 71
Steuerzahler in 5, später in 12 bezw. 18 Klassen, deren Mitglieder je eine
bestimmte Summe — in der 1. Klasse ursprünglich 48, in der 5. Klasse */2 Taler —
zu zahlen hatten.)
Die unverhältnismäßig starke Belastung der ärmeren Bevölkerungs.schichteu
durch diese neue Steuer rief von vornherein starken Widerspruch hervor (die
königlichen Prinzen) und trug am meisten dazu bei, daß sich die Klassensteuer
allmählich zur Einkommensteuer umwandelte.
An weiteren allgemeinen Steuern wurden fortan die Gewerbesteuer,
eine Stempelgebühr, Abgaben von Branntwein, Malz, Tabak und Wein und
die Salzsteuer erhoben. 132 von der Grundsteuer befreite Städte zahlten
anßerdem die recht einträgliche Mahl- und Schlachtsteuer.
Anmerkung. Den Gemeinden, die sich im Besitze der Selbstverwaltung be-
fanden, wurde gestattet, als Kommunalabgaben Zuschläge zur Klassen- und zur Mahl-
und Schlachtsteuer zu erheben.
d. Die Finanzreform bewirkte trotz aller Härten und Mängel des neuen
Steuersystems sehr bald eine wesentliche Befseruug der finanziellen Lage
des Staates, freilich zum guten Teil unter dem Einfluß der überaus srucht-
baren Entwicklung der Zollgesetzgebung. Schon im Jahre 1829 hatte sich der
Kredit des Staates soweit gehoben, daß die preußischen Staatspapiere auf
pari standen.')
IV. Das preußische Heerwesen
bewahrte trotz aller Anfechtungen die Grundzüge der Scharnhorstschen
Reformgedanken.
1. Die Heeresverfassung des Preußischen Staates zur Zeit der Freiheits¬
kriege war ein Notbehelf gewesen, der durch den Druck der Fremdherrschaft
gezeitigt worden war. Trotz aller enthusiastischen Verherrlichungen der
kriegerischen Leistungen der Miliztruppen konnte es doch keinem sachverständigen
Beurteiler verborgen bleiben, daß die Landwehren mit ihrer mangelhaften
militärischen Ausbildung und ihrer oft recht zweifelhaften Manneszucht die
Linientruppen nicht ersetzen konnten. Die Rücksicht aus die stets gefährdete
zentrale Lage des preußischen Staates machte das Vorhandensein einer starken,
stets kriegsbereiten Feldarmee zu einem dringenden Bedürfnis.
2. Die materielle Erschöpfung des Staates aber schloß die Aufstellung
einer genügend zahlreichen Linientruppe aus. Daher galt es, das preußische
Heer durch eine geeignete Verbindung von Feld- und Miliztruppen
neu zu organisieren. Das Ende des Freiheitskampfes, an welchem der Staat
über eine Fülle erprobter Offiziere und kriegsgeübter Mannschaften verfügte,
bot hierzu die günstigste Gelegenheit. Daher genehmigte Friedrich Wilhelm III.
schon am 3. September 1814 den Erlaß eines neuen vom Kriegsminister
von Boyen ausgearbeiteten Wehrgesetzes, das eines der wichtigsten Grnnd-
gefetze des preußischen Staates geworden ist.
a. Die neue Wehrordnung beruhte auf dem Grundsatze der allgemeinen
Dienstpflicht; jedem waffenfähigen Preußen ward für neunzehn Jahre die Waffen-
Pflicht auferlegt. (Drei Jahre bei der Fahne, zwei Jahre in der Reserve, sieben Jahre
in der Landwehr ersten, sieben Jahre bei der Landwehr zweiten Aufgebots)
Die Söhne der gebildeten Stände erhielten das Vorrecht einer nur einjährigen
Dienstzeit bei der Fahne, mußten sich aber selbst ausrüsten.
*) Ausführlicheres über die Reform des Finanzwesens bei Treitschke a. a. O.
II. u. III. Bd.