Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 2)

Preußen unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. 107 
Absichten auf Jülich und Berg am besten durch eine Verbindung mit dem 
Kaiser gewährleistet zu sehen. Zudem wuchs seine Erbitterung gegen England 
von Tag zu Tag, da Georg I. die Verwirklichung der erwähnten Heirats¬ 
projekte von einer politischen Verbindung Englands und Preußens abhängig 
machte. So ward es der geschickten Vermittlung Seckendorfs leicht, den König 
ganz auf die Seite des Kaisers herüberzuziehen. 
Im Vertrage von Wusterhausen erkannte Preußen die pragmatische 
Sanktion an; der Kaiser aber verpflichtete sich, mit Pfalz-Sulzbach zu unter¬ 
handeln und binnen sechs Monaten einen Vergleich zustande zu bringen, der 
Preußen wenigstens die Erwerbung Bergs zusicherte; sollten die Verhandlungen 
zu keinem Ergebnis führen, so versprach der Kaiser, Preußen eine „ander¬ 
weitige Genugtuung" zu verschaffen. 
Da nun aber der Vergleich mit Pfalz-Sulzbach nicht zustande kam, war 
der Vertrag von Wusterhausen hinfällig, Österreich suchte den König von 
Preußen durch einen neuen Vertrag an sich zu fesseln, der 1728 zu Berlin 
abgeschlossen wurde. Preußen verpflichtete sich darin zur Verteidigung der 
pragmatischen Sanktion gegen jeden Angriff; es forderte dafür die Garantie 
der Erwerbung Bergs oder eines äquivalenten Besitzes, begnügte sich schließlich 
aber mit der Übertragung der Anrechte des Kaisers auf Berg und mit der Zu¬ 
sicherung, daß der Kaiser die Sache Preußens mit allem Nachdruck fördern werde. 
Der Berliner Vertrag wurde für die ganze fernere Politik 
Preußens von größter Bedeutung: im Vertrauen auf Österreichs Bundes¬ 
treue fesselte Friedrich Wilhelm I. die auswärtigen Interessen seines Staates 
auf mehr als ein Jahrzehnt an die Ziele der habsburgischen Politik und über¬ 
nahm Verpflichtungen, die in gar keinem Verhältnis zu den Gegenleistungen 
des Kaisers standen. Der Anschluß an Österreich war eine völlige Verkennung 
der Lebensintereffen des preußischen Staates, aus der dem arglosen Friedrich 
Wilhelm eine ununterbrochene Reihe schwerster politischer Niederlagen erwuchs. 
Alle großen preußischen Staatsmänner der Folgezeit haben denn auch aus 
dieser wenig ruhmvollen Periode der Politik Preußens die Lehre gezogen, daß 
der Hohenzollernstaat nimmermehr seinen Vorteil in der Verbindung mit den 
Habsburgern suchen dürfe. 
Für Österreich aber kam schon unmittelbar nach dem Tode Karls VI. 
die Zeit, in der es die Treulosigkeit seiner Politik schwer büßen mußte. Zu¬ 
nächst freilich erntete der Kaiser die Früchte des Berliner Vertrages im vollsten 
Maße: England, dessen Beziehungen zu Preußen sich in demselben Verhältnis 
verschlechterten, in dem die preußisch-österreichische Freundschaft wuchs, war nun 
genötigt, sich dem Kaiser zu nähern, und erkannte die pragmatische Sanktion 
an; auch das Reich konnte dem Kaiser die Gewährung dieses von Preußen 
unterstützten Wunsches nicht länger versagen. Es war kein Wunder, daß 
unter solchen Umständen die Beziehungen der Höfe von Wien und Berlin einen 
überaus herzlichen Charakter zeigten; Friedrich Wilhelms biederer Sinn war 
Österreich in aufrichtiger Treue verbunden, der König äußerte, „nächst Gott 
traue er auf niemand so sehr wie auf seinen wahren Freund und Alliierten, 
den Kaiser". 
6. Die Nachbarschaft Polens verbündete die drei Ostmächte Rußland, 
Österreich und Preußen eine Zeitlang zu gemeinsamer Politik. 
a. Das polnische Reich hatte bisher infolge seiner inneren Schwäche 
keine bedeutende Rolle in der europäischen Politik gespielt; erst durch die Pläne
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.