264 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
verzweifelnde Imperator am 18. Oktober wenigstens einen gesicherten Rückzug
erkämpfen; aber gerade der Rückzug des französischen Heeres brachte die
eigentliche Niederlage, der Kaiser verlor trotz der mangelhaften Verfolgung
fast die Hälfte seines Heeres, und der Rest der französischen Truppen, die sich
auf der Flucht nach dem Rheine bei Hanau noch mit den ihrem Bündnis
untreu gewordenen Bayern schlagen mußten, war nach der Rückkehr nach
Frankreich kaum noch in kriegsfähigem Zustande.
d. Im weiteren Verlaufe des Krieges wurde der Gang der Ereignisse
durch den hindernden Einfluß vor allem der österreichischen Politik aufs
schwerste beeinträchtigt, und nur der stürmischen Tatkraft der Blücherschen und
Bülowschen Truppen war es zu verdanken, daß der Feldzug des Jahres 1814
mit dem Sturze Napoleons endigte.
Schon nach den ersten namhafteren Erfolgen hatten die Verbündeten
das Bedürfnis empfunden, sich fester auf ein bestimmtes Programm zusammen-
zuschließen, das war am 9. September in den Verträgen zu Teplitz
geschehen. (Vertreibung der Franzosen vom rechten Rheinufer, Auflösung des
Rheinbundes, Wiederherstellung Österreichs und Preußens re.)*)
Den süddeutschen Staaten, die jetzt für ihre Zukunft fürchtend, Miene
machten, sich der Koalition anzuschließen, sicherte Österreich in wohlberechneter
Großmut vollständigste Souveränität und Unverletzbarkeit ihres Gebietes zu.
(Vertrag zu Ried mit Bayern am 8. Oktober, zu Fulda mit Württemberg
am 2. November re.)
Der Sieg von Leipzig erschien der österreichischen Politik fast zu groß,
und daher trug sie Sorge, daß Napoleons Macht auf der Flucht nach dem
Rheine nicht vollends vernichtet wurde: Blücher, dessen Armee den Franzosen
„dicht auf den Hacken saß", mußte durch das Lahntal seitlich abschwenken,
damit er nicht vor dem Kaiser Franz in Frankfurt einziehe.
An eine Fortsetzung des Krieges auf dem linken Rheinufer war zunächst
gar nicht zu denken, denn nach Österreichs Meinung mußte die Antwort Napoleons
auf Metternichs für einen geschlagenen Feind außerordentlich günstiges Friedens¬
angebot abgewartet werden. Erst am 1. Dezember erschien das neue Kriegs¬
manifest der Verbündeten, das in seiner ganz unangebrachten Milde und
Großmut (Frankreich wurde ein umfänglicheres Staatsgebiet versprochen, als
es vor der Revolution je besessen hatte) deutlich den Einfluß des in schwärme¬
rischen Humanitätsideen befangenen Zaren verriet.
Der neue Operationsplan bestätigte nur die schon längst erwiesene
Unfähigkeit der Schwarzenbergschen Kriegsleitung: man verzichtete auf jede
Initiative, die Hauptarmee sollte ans dem Plateau von Längeres eine be¬
herrschende Stellung einnehmen, ohne irgendeinem Ziele zuzustreben; Blüchers
Armee war die viel schwierigere Aufgabe zugewiesen, durch die Champagne
gegen Paris vorzubrechen; „so waren es denn vor allem die preußischen Truppen,
denen die Lasten des Feldzuges in derselben Zeit zufielen, da Metternichs
österreichische Diplomatie Preußen um die Früchte dieses Feldzuges betrog".
Napoleon vermochte Blüchers Bereinigung mit der Hauptarmee durch
den Sieg bei Brienne (29. Januar) nur auf kurze Zeit zu verhindern und
erlitt schon am 1. Februar bei La Rothiere eine Niederlage.
*) Über die Bestimmungen der Teplitzer Verträge in bezug auf die künftige
Gestaltung Deutschlands und Metternichs „deutsche" Politik vgl. den III. Teil dieses
Werkes.