20 Kolonisation Ostdeutschlands und Vorgeschichte Brandenburg-Preußens.
(1—4 Schilling für die Hufe). Die Kirche erhielt den Zehnten von allen
Erträgnissen der Wirtschaft. An Diensten hatten die Bauern nur zu leisten,
was sich auf die Landesverteidigung und die Gemeindeangelegenheiten bezog
(Ausrüstung eines Kriegswagens, Vorspanndienste, Instandhaltung der Wege,
Brücken re.).
ö. Auch in rechtlicher Beziehung waren die bäuerlichen Ansiedler
unvergleichlich besser gestellt als ihre Standesgenossen in den Gegenden alter
Siedlung des Mutterlandes. Die Bauern eines Dorfes — nicht die kleinen
Leute, Einlieger, Kossäten rc. — bildeten eine freie Gemeinschaft, die
keinerlei grundherrlichem Hofrechte unterworfen war, die sich selbst unter
Leitung des Schulzen Recht sprach und ihre kommunalen Angelegenheiten völlig
selbständig ordnete: ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung konnten Ab¬
gaben und Dienstleistungen nicht geändert werden.
d. In ähnlicher Weise wie die Anlage von Dörfern vollzogen
sich städtische Neugründungen.
a. Während anfänglich wahrscheinlich nur drei Städte in der Mark
Brandenburg vorhanden waren, schossen unter der Herrschaft der Askanier
hunderte von Städten und Städtchen gleichsam aus dem Erdboden auf; selbst
adlige Herren, z. B. die von Putlitz und Friesack, beteiligten sich an solchen
Stadtgründungen. Wie bei der Entstehung der dörflichen Ansiedlung über¬
nahm auch hier ein Lokator oder eine Gesellschaft von Lokatoren das Risiko
der Gründung. Der Unternehmer erhielt mehrere Freihufen, einen Anteil an
den Gerichtsgeldern, an der Haussteuer, den Einnahmen aus Gewerbe und
Handel und wurde mit der Stadtvogtei belehnt. Die sich ansiedelnden Bürger
bauten ihre Häuser möglichst eng aneinander um einen Marktplatz herum und
umgaben die ganze Anlage mit einem schützenden Mauerringe. Vom Markt¬
platze gingen die engen, aber gradlinigen Straßen in typisch regelmäßiger
Anordnung aus. An jede Hausstelle schloß sich ein enger Wirtschaftshof an,
mit Raum für Ställe und Dungstätte, denn all diese neuen Stadtgründungen
waren zunächst Landstädte und ihre Bewohner Ackerbürger, die dem Stadt¬
herrn für ihren Besitz die Haussteuer zahlten, wie die Bauern den Grundzins.
ß. „Die neue Gemeinde, »Bürger und Bauern«, wie sie sich wohl nach
ihrem unterschiedenen Nahrungsstand bezeichneten, brauchte für die Fülle von
städtischen Geschäften, die außer dem Bereich des Vogtes lagen, für die Polizei,
das Armenwesen, den Marktverkehr, das Gemeindegut rc. Personen, die nicht
so wie die Schöffen *) schon anderweitig beschäftigt waren. Wohl wieder landes¬
herrliche Ernennung mit dem Beirat angesehener Bürger bestellte die Rat¬
mannen. . . . Es waren die wohlhabenderen, geschäftskundigeren Bürger,
welche die Leitung der städtischen Interessen übernahmen, oft solche, die aus
den schon bedeutenden Städten nah und fern herbeigezogen waren und die
Erfahrung dessen hatten, worauf es ankam.
y. Allerlei Privilegien, Mühl- und Baugerechtigkeit, die Bannmeile,
innerhalb deren sich kein Handwerker niederlaffen, kein Bier außer dem städtischen
verschenkt werden durfte, gaben dem städtischen Gewerbe und Verkehr weiteren
Aufschwung; es begannen sich Innungen zu bilden; einzelne Bürger kauften
Grundstücke, Pächte, Gerechtigkeiten von den Vasallen umher, die Stadt selbst
0 Die Schöffen hatten in dem vom Stadtvogte gehegten Gerichte das Urteil
zu finden.