Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

schon während und noch mehr nach Abkauf ihres wechseln¬ 
den AmreS ihre Geschäfte alS Staatsbürger fortbetrieben, 
also nicht einmal so geschloßne Collegia wie die lebens¬ 
länglichen römischen Pontifices und Auguren, geschweige 
so standes- und zunftmaßige CorpS bildeten, wie die 
ägyptischen und asiatischen Priesierkasten. Daher gab eS 
denn auch in Griechenland kein eigentlich herrschende- und 
gebietendes, oder sich als ein bevorrechtigter Stand gel¬ 
tend machendes Priester- und Pfaffenthum, keine eigene 
Priesterlehre, die sich der Volk-religion gegenüber stellte, 
sondern dieser standen nur die Mysterien gegenüber, irr 
die aber — ceteris paribus — Priester und Laien ein¬ 
geweihet werden konnten. 
Ferner gab es keine geheime Priesterweisheit, die sich die 
Zweige der wissenschaftlichen Aufllärung als ein ausschließli¬ 
ches Eigenthum anmaaßte, und sie durch geheime Schrift und 
Sprache familien- und monopolartig unter sich erhielt; 
auch keinen priesterlichen Amts- und Stand eS-Stolz, 
keine eigentliche, bloß von Priestern ausgehende Religions¬ 
verfolgungen und Religionskriege, außer, wenn in und 
mit der Entweihung der öffentlich geheiligten Religion 
auch der Staat beleidigt und gefährdet schien; endlich 
keine Glaubenswuth und Glaubens - Schwärmerei, die durch 
das Hängen und Brüten über dem Buchstaben des Dog¬ 
ma und einer erträumten Orthodoxie entzündet wird. — 
Mit diesem freiern, in keine Fesseln eines theologischen 
Lehr - und Glaubens - Systems geschlagenen Charakter 
der Religion und ihrer Diener, war auch zugleich die 
Möglichkeit einer freien Denk- und Geistesfreiheit gege¬ 
ben, aus welcher in schöner Wirklichkeit die Frucht der 
griechischen Philosophie erblühete, welche wiederum den 
Keim zu dem freiern und selbstständige»-» wissenschaftlichen 
Leben legte, wodurch die Griechen sich so eigenthümlich, 
und insbesondere von den Orientalen unterscheiden, bei 
denen die wissenschaftlichen Kenntnisse an die Religion 
geknüpft blieben. 
An merk. I. Merkwürdig, daß die Griechen, wie die Ger-» 
manen, den unmittelbaren Einfluß des weiblichen Charakters 
und Wesens auf Geist und Gemüth anerkannten, indem sie vor¬ 
zugsweise den Frauen die Leitung derjenigen gottesdienstlichen An¬ 
stalten anvertrauten, welche mehr oder weniger auf Begründung 
häuslichen Glücks und gesellschaftlicher Verbindungen, auf Ver¬ 
edelung der Sitten und Kräftigung und Heiligung des Lebens 
in jeder Hinsicht berechnet waren. Daher bei jedem größer» 
Tempel- und besonders Orakel-Institut nicht bloß heilige Die¬ 
ner, sondern auch heilige Dienerinnen — Hierodulen —
	        
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