schon während und noch mehr nach Abkauf ihres wechseln¬
den AmreS ihre Geschäfte alS Staatsbürger fortbetrieben,
also nicht einmal so geschloßne Collegia wie die lebens¬
länglichen römischen Pontifices und Auguren, geschweige
so standes- und zunftmaßige CorpS bildeten, wie die
ägyptischen und asiatischen Priesierkasten. Daher gab eS
denn auch in Griechenland kein eigentlich herrschende- und
gebietendes, oder sich als ein bevorrechtigter Stand gel¬
tend machendes Priester- und Pfaffenthum, keine eigene
Priesterlehre, die sich der Volk-religion gegenüber stellte,
sondern dieser standen nur die Mysterien gegenüber, irr
die aber — ceteris paribus — Priester und Laien ein¬
geweihet werden konnten.
Ferner gab es keine geheime Priesterweisheit, die sich die
Zweige der wissenschaftlichen Aufllärung als ein ausschließli¬
ches Eigenthum anmaaßte, und sie durch geheime Schrift und
Sprache familien- und monopolartig unter sich erhielt;
auch keinen priesterlichen Amts- und Stand eS-Stolz,
keine eigentliche, bloß von Priestern ausgehende Religions¬
verfolgungen und Religionskriege, außer, wenn in und
mit der Entweihung der öffentlich geheiligten Religion
auch der Staat beleidigt und gefährdet schien; endlich
keine Glaubenswuth und Glaubens - Schwärmerei, die durch
das Hängen und Brüten über dem Buchstaben des Dog¬
ma und einer erträumten Orthodoxie entzündet wird. —
Mit diesem freiern, in keine Fesseln eines theologischen
Lehr - und Glaubens - Systems geschlagenen Charakter
der Religion und ihrer Diener, war auch zugleich die
Möglichkeit einer freien Denk- und Geistesfreiheit gege¬
ben, aus welcher in schöner Wirklichkeit die Frucht der
griechischen Philosophie erblühete, welche wiederum den
Keim zu dem freiern und selbstständige»-» wissenschaftlichen
Leben legte, wodurch die Griechen sich so eigenthümlich,
und insbesondere von den Orientalen unterscheiden, bei
denen die wissenschaftlichen Kenntnisse an die Religion
geknüpft blieben.
An merk. I. Merkwürdig, daß die Griechen, wie die Ger-»
manen, den unmittelbaren Einfluß des weiblichen Charakters
und Wesens auf Geist und Gemüth anerkannten, indem sie vor¬
zugsweise den Frauen die Leitung derjenigen gottesdienstlichen An¬
stalten anvertrauten, welche mehr oder weniger auf Begründung
häuslichen Glücks und gesellschaftlicher Verbindungen, auf Ver¬
edelung der Sitten und Kräftigung und Heiligung des Lebens
in jeder Hinsicht berechnet waren. Daher bei jedem größer»
Tempel- und besonders Orakel-Institut nicht bloß heilige Die¬
ner, sondern auch heilige Dienerinnen — Hierodulen —