Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

Der Dreißigjährige Krieg. 
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§ 73. Der Dreißigjährige Krieg. 
Kaiser Ferdinand II. (1619—1637) vermag im Dreißigjährigen 
Kriege weder den Protestantismus auszurotten noch den deutschen 
Fürsten eine abhängigere Stellung aufzuzwingen. 
I. Veranlassung. 
Der Ausbruch des durch die katholische Gegenreformation verursachten 
Kampfes zwischen den beiden feindlichen Konfessionen in Deutschland wurde durch 
t)ie Erhebung der Böhmen gegen die Intoleranz König Ferdinands II. veranlaßt. 
1. Als Rudolf II. 1608 von den ungarischen, mährischen und öfter- 
reichischen Ständen zum Verzicht auf diese Länder gezwungen worden war, 
hatten die böhmischen Stände ihn nur darum als König geduldet, weil er 
ihnen ein Toleranzedikt zugesagt hatte, welches er 1609 in Form des 
„Majestätsbriefes" veröffentlichte. 
Anmerkung. Der Majestätsbrief „proklamierte die protestantische Kirche als 
ein großes Verfassungsinstitut des Landes, an deren Spitze als oberste Behörde ein 
Konsistorium, als oberste Lehranstalt die Prager Universität stehen sollte, deren Leitung 
ferner den Ständen und den Defensoren, einem besonderen, von den Ständen ge- 
wählten Schutzausschusse, anheimfiel. Er sprach den Grundsatz aus, daß niemand 
durch irgendwen und irgendwelches Mittel seinem Bekenntnis abspenstig 
gemacht werden dürfe; er gab den Herren, Rittern und königlichen Städten 
das Recht, in den Kirchen ihrer Kollatur Geistliche ihres Bekenntnisses anzustellen, und 
er gestand den Protestanten zu, in den königlichen Herrschaften, zu denen nach 
altem Brauch alles Kirchengut gerechnet ward (wenigstens nach protestantischer Auffassung), 
Gottesdienst zu halten und Kirchen zu bauen". (Lamprecht.) 
2. Als Rudolf in seinem wahnwitzigen Hasse gegen Matthias noch einen 
Versuch machte, diesen aus seinen Herrschaften zu verdrängen, leisteten die 
Stände Matthias wieder Beistand, und ihre Macht wurde dadurch aufs 
neue verstärkt. 
3. Nach Rudolfs Tode (1612) aber wurde Matthias gleichzeitig König 
von Böhmen und deutscher Kaiser, und da er völlig unter dem Einflüsse seines 
fanatischen Vetters Ferdinand von Steiermark stand, war zu er- 
warten, daß nun die Gegenreformation in den Habsburgischen Landen mit 
aller Energie betrieben werden würde. 
Anmerkung. Ferdinand, „von Natur mit der erblichen Leutseligkeit und Milde 
der Habsburger ausgestattet, geistig unbedeutend und entschlußschwer, darum fremder 
Einsicht viel leichter als fremdem Willen folgend, zeigte vielleicht mehr als irgendeine 
politische Persönlichkeit seines Zeitalters, was jesuitische Erziehung vermochte. . . . Noch 
jugendlich, hatte er eine Reise nach Italien gemacht und sich in Loretto der heiligen 
Jungfrau zur Vernichtung der Ketzer gelobt. Von diesem Tage an lebte in seinem 
Kopfe fast nur dieser eine Gedanke, im Sinne fast einer überirdischen Inspiration; 
selbst der dämonische Wille eines Wallenstein hat ihn später nur auf kurze Zeit ein 
wenig aus seiner Richtung gelenkt. Hiervon abgesehen, blieb der Fürst bei allem 
Schwanken in der Wahl der Maßregeln seinem Ziele allzeit getreu, und sein weiches 
Wesen konnte sich, um es zu erreichen, bis zur Grausamkeit festigen. Im übrigen erhielt 
ihn vor allem ein Leben in halb nonnenhafter Bigotterie und in dauerndem Gebrauchs 
der jesuitischen Exerzitien dem einmal in ihn gepflanzten Ideale". (Lamprecht.) 
4. Nachdem Ferdinand 1617 zum böhmischen Könige gekrönt 
worden war, begann er auch in Böhmen eine rücksichtslose Gegenreformation, 
welche den böhmischen Adel zum Aufstande und znm Abfalle trieb. 
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