Staatliche und soziale Zustände im Frankenreiche. 19
8. Chlodwig greift das Westgotenreich mit Erfolg an (Schlacht bei
Vougle 507); an der völligen Verdrängung der Goten aus Gallien hindert
ihn aber das Eingreifen Theoderichs.
Anmerkung. Chlodwigs geschichtliche Bedeutung.
„Der staatsmännischen Größe Theoderichs gegenüber bietet Chlodwig das Bild
eines barbarischen Bauernkönigs, der durch die Kraft seiner Faust, die Verrucht-
heit seiner Anschläge höher und höher steigt. ... In demselben Augenblicke aber, wo
er die fränkischen Königtümer durch Blut zusammenkittet, verteilt er — und darin vor
allem sehen wir den Beweis seiner politischen Barbarei — ohne Bedenken nach her-
gebrachtem Recht diese Monarchie unter seine vier Söhne." „Ein voller Barbar, . . .
mag er mehr von den dunklen Instinkten der Herrschgier vorwärts getrieben worden
sein als durch erleuchtete Einsicht in die Lage der Dinge. . . . Indem Chlodwig jedoch
dem Zuge zur Zentralisierung seines Stammes folgte, indem er ein Königtum begründete
über Germanen und Romanen, schuf er die Vorbedingung für das Universalreich
der Karolinger. Indem er Verbindungen mit Byzanz gegen die Ostgoten anknüpfte
oder aufnahm, indem er sich zum römischen Konsul ernennen ließ, beutete er die pippinischen
Feldzüge nach Italien an imb bie Kaiserkrone Karls bes Großen. Jnbem er sein Haupt
dem Taufwasser beugte, . . . übernahm er für den Staat bie Verbinbnng mit Rom, bem
Zentrum ber christlichen Welt." (Nitzsch unb Lamprecht.)
9. Die Söhne Chlodwigs setzen die Eroberungspolitik des Vaters mit Erfolg
fort; sie gewinnen das Burgunderreich, das Reich der Thüringer (530) und bringen
auch die Bayern und Sachsen in eine gewisse, wenn auch lose Abhängigkeit.
§ 6. Staatliche und soziale Zustände im Frankenreiche.
(Nach Nitzsch unb Lamprecht.)
1. Das Königtum der Franken ist die mit viel größerer Macht als
in andern germanischen Staaten ausgerüstete Zentralgewalt des Reiches.
Die germanischen Wurzeln der Machtstellung des Königtums waren die
uralten Befugnisse der ehemaligen Stammesältesten und Häuptlinge: die
Heeres-, Gerichts-und Schutzgewalt (f. S. 4). Die Frankenkönige übten diese Tätig-
keiten aber nicht bloß (wie früher) gleichsam im Auftrage der Volksversammlung,
sondern kraft eigenen Rechtes aus. Die Heeres- und Gerichtsgewalt
fanden ihren Ausdruck im Bannrechte des Königs, die Schutzgewalt im
feierlichen Königsworte, dem Versprechen des königlichen Schutzes an alle
Schutzbedürftigen.
Das Heerbannrecht gab dem Könige die Verfügung über das Volks-
Heer. Der Gerichtsbann legte die gerichtliche Exekutivgewalt in die Hände
des Königs, der sie an zwei Beamtenkategorien, die Garafios (Grafen) und
Saeebaronen (Schultheiße) übertrug, von denen jene für die Gaue, diese
für die Hundertschaften bestimmt waren. (Daneben blieb der Volksversammlung
die Wahl der Vorsteher der Hundertschaftsgerichte, Thunginen.)
Die königlichen Einkünfte waren germanischen und romanischen
rsprungs.
Die Germanen zahlten zwar keine Steuern, waren aber verpflichtet,
dem Könige auf dem „Märzfelde" Geschenke darzubringen. Dazu kam der
Anteil des Königs an den Gerichtsbußen, der Fredus, welcher ein Drittel des
Betrages ausmachte. Die Romanen zahlten dem Könige wie den Imperatoren
Steuern, eine Einnahmequelle, die das Königtum befähigen konnte, ein mit
Geld besoldetes Beamtentum zu schaffen.
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